WAZ: Sandkastenspiele oder Strategie?: Ein bisschen Spaß muss sein
Archivmeldung vom 17.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin bisschen Sommerloch mitten in der Karnevalszeit. Die ganz harten Nachrichten sind nicht auf dem Markt, also treibt man irgendeinen Paarhufer durch das berühmte Dorf. Die Jecken wird es freuen. Helau! So meldet das Nachrichtenmagazin Spiegel, einige wichtige Personen in der SPD dächten darüber nach, Franz Müntefering durch Kurt Beck im Bundeskabinett zu ersetzen.
Die Geschichte klingt gar nicht mal so schlecht, begeben wir uns
also in den strategischen Sandkasten, um für die kommenden Monate ein
Szenario zu entwickeln, das 2009 den Sozialdemokraten die
Kanzlerschaft sichert. Spielen wir die Geschichte durch. Beck löst im
kommenden Jahr Müntefering als Vizekanzler und Arbeitsminister ab.
Dafür spräche, dass dem Regionalpolitiker aus Rheinland-Pfalz mehr
bundespolitische Aufmerksamkeit zuwachsen würde. Die tägliche
Erwähnung in der Tagesschau wäre dem SPD-Vorsitzenden sicher, die
Kanzlerkandidatur von Beck eine ausgemachte Sache.
Von Berlin aus wäre auch die Führung des Wahlkampfes sinnvoller,
als fernab von Mainz zu versuchen, die Strippen in der Hand zu
halten. Noch ein Vorteil für die Sandkastenstrategen: Müntefering hat
hinlänglich bewiesen, dass er etwas von Wahlkampf versteht. Frei von
den Belastungen und Einschränkungen eines Kabinettmit- glieds könnte
der Sauerländer eine Kampagne leiten, die es in sich hätte.
Die Quelle für alle diese Spekulationen sitzt angeblich im
SPD-Präsidium und schon wackelt diese gedankliche Konstruktion
bedenklich. An diesem Gremium ist beispielsweise der
Überraschungscoup des damaligen Kanzlers Schröder, Neuwahlen 2005
abzuhalten, völlig vorbeigegangen. Andersherum: Sollten sich Beck und
der verschwiegene Müntefering tatsächlich über ein solches Vorgehen
einig sein, wir wüssten es aller Wahrscheinlichkeit nicht.
Doch es gibt eine weitere Variante. Der in der Affäre Kurnaz nicht überzeugende Außenminister Frank-Walter Steinmeier könnte seinen Sessel für Beck räumen. Beck, ein Kenner der Region zwischen Koblenz und Worms, soll die Außenpolitik bestimmen? Zweifel dürfen angemeldet werden. Doch vielleicht ist an all diesen Spekulationen auch etwas dran? Mag sein, muss aber nicht. Oder hätten Sie vor zwei Jahren gedacht, dass sich Edmund Stoiber selbst erlegt und Diadochenkämpfe um die Nachfolge des CSU-Chefs zwischen Beckstein, Huber und Seehofer ausgetragen werden? Wahrscheinlich nicht.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung