Rhein-Neckar-Zeitung, zu: Nach der WM
Archivmeldung vom 13.07.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zelte des Wanderzirkus, der das Volk vier Wochen lang glänzend unterhalten hat, werden abgebaut. Dahinter kommt die verdrängte Wirklichkeit zum Vorschein. Eine zweite Arena, vor der zur Zeit das gnädige Schild hängt: Wegen Sommerferien vorübergehend geschlossen. Doch jeder weiß, was dort gespielt wird, ist von begrenztem Unterhaltungswert: Steuerstreit, verpasste Gesundheitsreform, dubiose Rücktritte, Krach um Atomlaufzeiten und die hervorquellende Frage nach der Führungsqualität selbst.
Die spätrömische Dekadenz, jenes von Westerwelle dem Sozialstaat aufgeklebte Etikett, hat sich in das Adressschild der Regierung verwandelt. Es wird nichts nützen, die Ungereimtheiten der entzauberten Wunschkoalition etwas netter und mediengerechter erklären zu lassen. Zwar ist die reale Lage, was Wirtschaftswachstum, sinkende Arbeitslosigkeit oder Kauflust angeht, vom Zerfall der Regierungsautorität scheinbar losgelöst. Aber im Umkehrschluss droht diese Regierung, je länger sie im Amt bleibt, Teil eines Problems zu werden, das wir noch nicht haben. Denn nicht nur bei der Einstellung einer Fußballelf auf ihre Herausforderung, auch in der Wirtschaft und beim Vertrauen des Bürger in seinen Staat spielt Psychologie eine wichtige Rolle. Die Hebelgesetze der Macht allein, die Merkel voll beherrscht, bringen es nicht.
Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung