Fußfessel für Langzeitarbeitslose
Archivmeldung vom 28.04.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.04.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Michael DahlkeNachtrag: Ein Bericht der Extremnews Redaktion
Die Äußerungen des Hessischen Justizministers Christean Wagner schlagen bereits erste wellen und sorgen für Aufregung im ganzen Lande. Auswirkungen wird das ganze sicherlich nicht haben. Aber man darf sich nichts mehr gefallen lassen. Jeder einzelne kann etwas tun.
Wie z.B. eine kleine Gruppe von 1 € Jobbern aus Apolda. Diese wollte sich die Pauschallisierung und Gleichstellung mit Straftätern nicht gefallen lassen und schrieb eine kleinen Brief an Herrn Wagner.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
im Anhang erhalten sie unser Schreiben vom 28.05.2005, an den Justizminister Dr. Wagner zu seiner Äußerung, dass Langzeitarbeitslose eine Fußfessel bekommen sollten. Wir sind 1 Euro Jobber in Apolda und sind froh, dass wir den Job haben. Aber so beleidigen lassen müssen wir uns nicht von einem Mann, der gar keine Vorstellung hat, wie das Leben als Arbeitsloser und dann noch ALG II Empfänger ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre 1 Euro Jobber aus Apolda
1 Euro Jobber
99510 Apolda
Herr
Dr. Christean Wagner
Hessisches Justizministerium
Apolda, 28.04.2005
Ihre Pressemitteilung vom 10.März 2005 Nr. 40
Sehr geehrter Herr Dr. Wagner,
mit entsetzen haben wir heute Ihre Pressemitteilung gelesen.
Wir möchten uns verbitten, dass wir mit Straffälligen und Suchtkranken auf eine Stufe gestellt werden. Es ist eine Unverschämtheit von Ihnen.
Wir sind gerade in der glücklichen Lage, einem 1 Euro Job nachzugehen und das freiwillig.
15 Leute, zwischen 28 und 55 Jahren, jeder von uns geht pflichtbewußt seiner Arbeit nach. Unsere Leistung, die wir hier erbringen, hat mit Sicherheit einen höheren Wert als 1 Euro.
Wir sind sehr wohl in der Lage, im Zweischichtsystem, (auch Samstag) zwischen 7.00 – 20.00 Uhr ohne elektronische Fußfessel pünktlich unsere Arbeit anzutreten. So eine Äußerung von Ihnen ist eine tiefe menschliche Beleidigung. Wir haben uns von den Politikern in diesem Land genug gefallen lassen, aber jetzt haben Sie den Bogen überspannt.
Vielleicht sollte man den Arbeitslosen keine Fußfesseln anlegen, sondern Ihnen einen Maulkorb, damit Sie in Zukunft nicht mehr solche dumme und unqualifizierte Bemerkungen machen können.
Wir hoffen, dass Sie keine Kinder haben, die in die Lage kommen könnten, arbeitslos zu werden und dann von einem unmenschlichen Politiker wie Ihnen eine Fußfessel bekommen.
Wir schließen uns der Meinung vieler Menschen an, und hoffen auf Ihren baldigen Rücktritt, denn auf solche Politiker können die Menschen hier verzichten.
Wir wünschen Ihnen für Ihre Zukunft, als hoffentlich bald entlassener Minister, noch viel Spaß. Von uns aus auch mit Fußfessel.
Mit freundlichen Grüßen
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Überraschung und Erstaunen machten sich breit als die Gruppe nur wenig Später eine Antwort bekam.
Und hier die Antwort:
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Hessisches Minesterium der Justitz
Presseinformation
Nie beabsichtigt oder angedacht / Keine elektronische Fußfessel für Langzeitarbeitslose oder therapierte Suchtkranke gefordert
Wiesbaden.- "Die Idee, die elektronische Fußfessel für Langzeitarbeitslose zu fordern, ist absurd. Im hessischen Justizministerium gab und gibt es keinerlei Überlegungen oder gar Pläne, die Fußfessel bei Langzeitarbeitslosen oder Suchtkranken zur Anwendung zu bringen. Die Formulierung in der Presseerklärung vom 10. März 2005 zu den Langzeitarbeitslosen ist unglücklich und missverständlich, sofern der Satz nur isoliert gelesen wird. Es gibt keinen Spielraum für Interpretationen – die Fußfessel, ein bundesweit beachtetes Erfolgsmodell der hessischen Landesregierung, wird nicht auf Langzeitarbeitslose oder Suchtkranke, sondern nur für Straftäter Anwendung finden. Aus meiner Sicht wäre der Einsatz der elektronischen Fußfessel für Langzeitarbeitslose oder Suchtkranke zutiefst menschenverachtend", erklärte Hessens Justizminister Dr. Christean Wagner heute in Wiesbaden.
Zur Erläuterung:
Die elektronische Fußfessel für Straftäter hat sich in den fast fünf Jahren ihres Einsatzes gut bewährt. Sie wird bei Strafgefangenen eingesetzt, die unter Bewährung stehen. Die Verurteilten müssen sich streng an einen Tagesablauf halten, den sie gemeinsam mit Bewährungshelfern erarbeitet haben. Die engere Kontrolle während der Bewährungsüberwachung ermöglicht, dass sich eine ansonsten negative Sozialprognose für den Verurteilten verbessert. Die elektronische Fußfessel dient der Vermeidung künftiger Straffälligkeiten und damit der Resozialisierung des Verurteilten, da mit ihr eine regelmäßige, straffreie und sinnvolle Lebensführung trainiert werden kann. Bisher sind 187 Personen mit der elektronischen Fußfessel ausgestattet worden. In mehr als 90 % der Fälle hat die Maßnahme erfolgreich beendet werden können; nur 16 Fälle sind abgebrochen worden. Die technische Überwachung im Zusammenspiel mit einer engmaschigen Betreuung durch die Bewährungshilfe hat einen nachhaltig stabilisierenden Einfluss auf die Lebensführung der Straftäter. Das bedeutet echte Lebenshilfe für die Betroffenen und hat noch einen höchst positiven Nebeneffekt: Haftkosten können eingespart werden. Bei einer gleichzeitigen elektronischen Überwachung von 18 Probanden (Auslastungsstand zum 1. April 2005) betragen die Kosten 59,25 € pro Person und Tag, während ein Haftplatz mit 85,18 € zu Buche schlägt.
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Natürlich, wie sollte es anders sein ein Standartschreiben mit den typischen Ausreden und Beschwichtigungen.
Aber der Brief zeigt deutlich, das es nicht Zwecklos oder Umsonst ist, sich zur Wehr zu setzen. Hunderttausende dieser Briefe und der Ihrige, können dazu beitragen das diese Damen und Herren sich wieder besinnen wem sie zu Dienen haben.
Und die Moral von der Geschicht
Manche Wehren sich, manche nicht
M. Dahlke