Allg. Zeitung Mainz: Keine Überraschung
Archivmeldung vom 26.07.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn ein 16-Jähriger meint, die Bundesrepublik habe die Mauer gebaut und Willy Brandt sei ein DDR-Politiker gewesen, dann ist das zwar fürchterlich, aber wirklich überraschen kann es nicht. Zwei Aspekte kommen da zusammen und richten Entsetzliches an.
Zum einen ist das Wissens- und Bildungsniveau des durchschnittlichen deutschen Jugendlichen - aber auch der Erwachsenen - vermutlich nicht im Entferntesten so hoch, wie wir uns gerne glauben machen würden. Klagen von Industriebetrieben, wonach mancher Auszubildende mit Hauptschulabschluss die Grundrechenarten nicht beherrscht, werden immer lauter, in der Öffentlichkeit aber nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Hochschulprofessoren weisen immer wieder darauf hin, dass Abiturienten verheerende Rechtschreibfehler machen. Auch darüber schaut die öffentliche Meinung gerne hinweg. In Radioumfragen unter Jugendlichen war schon zu hören, an Ostern sei Jesus geboren. All das sind deutliche Anzeichen dafür, dass es in Deutschland eine Bildungskatastrophe gibt, die aber keiner so recht wahrhaben will. Beim Thema DDR kommt hinzu, dass viele aus dem Osten Deutschlands aus ganz unterschiedlichen Gründen die Vergangenheit verklären, das heißt letzten Endes: gewollt oder ungewollt verfälschen und damit die denkbar schlechtesten Zeitzeugen und Informationsquellen für junge Menschen sind. Beizukommen ist sowohl der Bildungs- als auch der Ostalgie-Misere nur mit nachhaltigen Bemühungen, vernünftige Bildung zu vermitteln und aufzuklären. Falls das nicht gelingt, werden in nicht allzu ferner Zukunft Wirtschaft und Gesellschaft - also wir alle - massiv leiden.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz (von Reinhard Breidenbach)