LVZ: Ohne Spielraum
Archivmeldung vom 26.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSolche Meldungen hört man nach vielen Hiobsbotschaften gern im Konrad-Adenauer-Haus: Nach ihrem überraschenden Wahlsieg wollen die Christdemokraten ihre politischen Optionen ausweiten und die Zusammenarbeit mit den Grünen ausbauen, die den CDU-Kandidaten gegen die SPD unterstützt hatten.
Andernorts trugen sogar dunkelrote
Sozialisten und Sozialdemokraten zugleich zum Wahlsieg der Union bei.
Bedauerlich aus CDU-Sicht ist allerdings, dass es sich nur um die
Bürgermeisterwahlen von Oldenburg und Hoyerswerda handelt.
Bundespolitisch befindet sich die Union im Sinkflug: Erstmals seit
dem Zusammenschustern der großen Koalition liegt sie in Umfragen
hinter den Sozialdemokraten. Und die taktische Geisterdebatte um
einen schnellen Koalitionsbruch der SPD mitsamt der Bildung einer
neuen Regierung ohne CDU zeigt, wie wenig Koalitions-Optionen die
Kanzlerinnen-Partei im Vergleich zum Regierungspartner derzeit hat.
Selbst nach unwahrscheinlichen baldigen Neuwahlen könnte sie sich
nicht mehr auf die FDP verlassen. Die allerdings riskiert bei einem
allzu heftigen Flirt mit der Sozialdemokratie, nicht mehr die Stimmen
enttäuschter CDU-Wähler abzusahnen.
Es ist ein durchschaubares Spiel mit verteilten Rollen: FDP-Vize
Brüderle bändelt mit der SPD an, wird aber von der übrigen
Parteispitze zurückgepfiffen. Derzeit seien die politischen
Unterschiede sowohl zur SPD als auch zu den Grünen zu groß. Wie wahr:
Im Verhältnis zu den Liberalen sieht man das bei SPD und Grünen
ebenso, obwohl ebenfalls umgekehrte Signale ausgesendet wurden.
Weichgekocht wird jedesmal die Union. Die Durchsetzungskraft der
zusehends schwächelnden Kanzlerin war von Anfang an gering, sie kann
jetzt aber sogar ihre Moderationsfähigkeit innerhalb der Koalition
verlieren. Plötzlich fehlt ihr auch in der eigenen Partei der
machtpolitische Rückhalt, den sie durch weitgehende Zugeständnisse an
die SPD selbst verspielte. Ohne Handlungs-Spielraum wird sie zum
Spielball anderer. Als Regierungschefin und als Parteivorsitzende.
Das wachsende Misstrauen in der Regierungsmannschaft, begleitet von
gegenseitigen verbalen Aggressionsschüben, droht zu einer kompletten
politischen Lähmung zu führen - nicht nur beim Gekrampfe um die
Gesundheitsreform. Sowohl die Gestaltungsblockade der großen
Koalitionäre als auch die Koalitionsspekulationen ohne realen
Hintergrund lassen das Vertrauen in die Politik weiter schwinden. Wie
Ex-Kanzler Helmut Schmidt Vergleiche zur Weimarer Republik zu ziehen,
die in der Nazi-Diktatur endete, sind gleichwohl überzogen. Trotz
einiger Wahlerfolge sind Rechtsradikale heute nicht so in der
Bevölkerung und ihren Eliten verankert wie 1933. Langfristig aber
braucht Demokratie wirtschaftlichen Erfolg zum sicheren Überleben.
Hier hat Schmidt Recht mit seiner Kritik an den schrumpfenden
Volksparteien: Die drohen durch ihr verantwortungsloses Polit-Theater
die Zukunftschancen der Deutschen in der globalisierten Welt zu
verspielen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung