WAZ: Merkel zu Besuch bei Bush: Politik am Lagerfeuer
Archivmeldung vom 12.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas sich politisch und persönlich zwischen Angela Merkel und George W. Bush in Crawford abgespielt hat, sieht harmonischer aus, als es wirklich ist. Bei den politischen Ergebnissen wurde maximale Übereinstimmung vorgegaukelt, und bei der persönlichen Beziehung sah es fast so aus, als seien Bush und Merkel nun Freunde fürs Leben. Beides ist nicht wahr.
Die Inszenierung der Freundschaft ist alles in allem gelungen,
auch wenn die Versuche, sich betont locker zu geben, manchmal etwas
krampfhaft ausgefallen sind. Man fragt sich auch, warum das
eigentlich alles so wichtig sein soll: die Prairie Ranch, der
Präsident in Jeanshose, die Kanzlerin in seinem Jeep. Wer soll denn
mit dieser Art von Politik am Lagerfeuer beeindruckt werden?
Doch auch wenn man das Tamtam um die Ranch einmal beiseite lässt,
entpuppt sich das Treffen als wenig überzeugende Politshow. Denn beim
zentralen Thema Iran wurden alle heiklen Fragen ausgeblendet: Zeigen
die UN-Sanktionen Wirkung? Wie lange noch kann man Russland und China
bei der Stange halten? Wie lange sind die USA überhaupt noch bereit
zu warten, bevor sie vielleicht doch mit einer "begrenzten"
Militäraktion versuchen werden, die Atomwaffenträume von Mahmud
Ahmadinedschad zu zerstören? Sicher, das sind hässliche Fragen, und
sie passen nicht so gut zum texanischen Grillabend. Aber sind das
nicht die Fragen, um die es jetzt wirklich geht?
Wenn Bush und Merkel sich zur diplomatischen Lösungssuche
bekennen, ist das nicht mehr als der Ausdruck eines Wunsches, den
jeder vernünftige Mensch teilt. Keiner will einen Krieg mit dem Iran,
auch Bush nicht. Aber die viel beschworene "diplomatische Lösung"
kommt nicht allein dadurch zu Stande, dass man sie ganz fest
herbeisehnt. Europäer und Amerikaner allein werden das Wunder nicht
vollbringen können, diesen Konflikt friedlich zu beenden.
Und was wird dann geschehen? Die Europäer denken mehr und mehr
über eine neue Sicherheitsarchitektur nach, in der man mit der
Atommacht Iran wohl oder übel leben muss, notfalls mit einer neuen
Abschreckungsstrategie wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Die
Amerikaner, von Israel heftig gedrängt, geben sich dem Gedankenspiel
eines militärischen Eingriffs hin.
Ist auch über diese Dinge in Crawford gesprochen worden? So genau wissen wir das nicht. Aber wir wissen, dass die Bilder von Friede, Freude, Rindersteak politisch bedeutungslos sind.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung