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Neue OZ: Jede Gabe ist auch eine Botschaft

Archivmeldung vom 16.12.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Jedes Geschenk ist ein kleiner Dialog - mit dem Beschenkten und mit uns selbst. Wir schenken immer das, was zum Beschenkten passt - angeblich. In Wirklichkeit suchen wir allzu oft aus, was wir am liebsten gern selbst geschenkt bekämen. Jeder ehrliche Schenker gesteht sich ein, dass er sich bei der Auswahl des Geschenks insgeheim doch vom eigenen Geschmack leiten lässt.

Die lauten Töne sind kein Zeichen von Stärke, sondern Ausdruck von Frust über die eigene Schwäche. Es geht keineswegs nur um Meinungsverschiedenheiten, wie die gemeinsame Währung am besten zu schützen sei. Die Kritiker hegen vielmehr grundsätzliche Zweifel an der Merkel'schen Europa-Politik. "Will Deutschland noch Europa?", lautete am Mittwoch die Schlagzeile in der französischen Zeitung La Croix. Die Kanzlerin findet den Verdacht absurd. Sie nimmt für sich in Anspruch, dem Gemeinschaftswerk EU "ziemlich leidenschaftlich und gut" zu dienen, und zwar da, wo es am nötigsten ist. Denn wenn der Euro scheitere, sagt Merkel, "dann scheitert Europa", und das werde sie nicht zulassen. Solche Bekenntnisse haben den Argwohn nicht zerstreut. Das gilt übrigens nicht nur für die Wahrnehmung in den Partnerländern, wie bei der gestrigen Bundestagsdebatte daheim deutlich wurde. Das hat auch mit dem herben Stil der Kanzlerin zu tun. Leidenschaftlichkeit ist bei ihr ein interner Vorgang. Und Merkels europapolitischer Frontmann Corsepius hat enorme Mühe, unter seinen Gesprächspartnern in den anderen EU-Regierungen Vertreter der eigenen intellektuellen Güteklasse zu erkennen. Da kommt dann gern als Anordnung rüber, was besser Vorschlag wäre. Indes gibt es auch einen objektiven Grund, warum so viele Partner das gute alte Europa durch eine rücksichtslose neue Germania verfinstert sehen. Auf dem Papier des Lissabonner Vertrages ist die Bedeutung des Mitglieds Deutschland - wie auch der anderen Mitgliedsstaaten - stärker relativiert als je zuvor. Berlin ist nur noch eine von 27 Hauptstädten, immer mehr Gesetzgebung wird in Brüssel und Straßburg gemacht. Doch in der Praxis der Euro-Krise ist es umgekehrt: Deutschland, die mit Abstand leistungsfähigste Volkswirtschaft, ist der alles entscheidende Spieler. Ohne Merkel und ihre finanziellen Ressourcen kann die Feste Euro gegen die anstürmenden Kräfte des Marktes nicht gehalten werden. Mit ihr aber geht es nur zu ihren Bedingungen. Diese Einsicht verbittert. Das ist für die Berliner kein Grund, sich von den vernünftigen Konzepten abbringen zu lassen, die sie zur Stärkung der Euro-Immunabwehr entwickelt haben. Sie sollte aber Anlass sein, über eine bessere Vermittlung nachzudenken. Das übergroße Gewicht der Deutschen in Euroland ist nicht nur ein Problem der anderen. Es ist auch ein deutsches Problem.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

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