LVZ: Grüne Sandkastenspiele
Archivmeldung vom 04.12.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Grünen bleiben sich treu. Die Führung wird abgemeiert, auf sinnvolle Forderungen legt die Basis noch eine Schippe drauf. Ansonsten beschäftigen sich ihre Strategen und Taktiker gern mit Dingen, die - wenn sie kommen - keinesfalls so, sondern ganz anders angepackt werden müssten. Im Sandkasten lässt es sich eben gut spielen. Aber nichts davon ist für die Ewigkeit.
Der virtuellen Mächtigkeit der Öko-Paxe - alle reden über das Klima -
steht jetzt die brutalst mögliche Oppositionsform gegenüber. Statt
Schwarz-Grün und Jamaika zu praktizieren, gibt es keine einzige
Regierung mit grüner Beteiligung. Da, wo früher Staatskarossen,
Personenschützer und Prominente die Schau bildeten, freute man sich
in Köln schon über einen Berliner Bezirksvorsteher und einen Tübinger
Oberbürgermeister. Die, die sich kürzlich noch über Joseph Fischer
als Gottvater grün und blau ärgerten, jammern heute über eine
kläglich schwache Führung. Nicht einmal ein neues Partei-Logo - blass
im Ton, klein in der ostdeutschen Wirkung, also typisch grün - können
Roth und Bütikofer bei der Basis durchsetzen. Die Grünen sind und
bleiben so, wie man sie kennt.
Politik so entwickelt, lässt diese Partei zu einem leicht
kalkulierbaren Faktor in Machtspielchen aller Art werden. Für die SPD
waren die Grünen nie etwas anderes als die Kellner-Partei. Für Union
und FDP spielen die Grünen allenfalls eine Rolle als Kaltmamsell in
einer denkbaren Regierung. Wollen die Grünen mehr, dann müssen sie an
zwei Baustellen gleichzeitig graben: Rückbesinnung auf die alten
Stärken und den Wettlauf mit der FDP um Platz drei gewinnen. Der
Öko-Markenkern ist eine gute Basis, weil jeden Bürger ein komisches
Gefühl beschleicht, wenn er im Dezember draußen im Straßencafé sitzen
kann.
Radikal genug um aufzufallen, aber nicht radikal um der Form willen.
Mit dieser Strategie gelang es den Atom-ausstieg populär zu machen.
In den Bereichen Verkehr, Öko- als Wirtschaftsfaktor und
Nachhaltigkeit als Prinzip der Generationenverantwortung gibt es noch
genug zu tun. Grün kann in all diesen Punkten als Original
aussichtsreich in den Wettbewerb mit anderen treten. Vorausgesetzt,
sie halten Kompetenz mit Realitätssinn zusammen.
Es sollte den Grünen leicht fallen, sympathischer als Westerwelle und
Co. zu agieren. Aber ohne eindrucksvolle Führung wird es kaum
gelingen, stärker als die FDP zu werden. Und nur das entscheidet am
Ende darüber, ob man den Grünen nur zuhört oder ob man sie auch
braucht.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung