Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Kanzleramtsminister Pofalla
Archivmeldung vom 05.10.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMehr als eine Woche hat der Kanzleramtsminister geschwiegen. Gestern bezog Ronald Pofalla (CDU) über die »Bild«-Zeitung zum ersten Mal öffentlich Stellung. Das war genau acht Tage zu spät. Pofalla hat sich selbst disqualifiziert, als er nach der Sitzung der NRW-Landesgruppe am 26. September seinen Parteikollegen Wolfgang Bosbach übelst beschimpfte. Nun ist die Diskussion um Pofalla derart aus dem Ruder gelaufen, dass nur zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder die Bundeskanzlerin entlässt ihren engen Vertrauten, oder er geht von sich aus.
Mit dem Satz »Ich ärgere mich selbst über das, was vorgefallen ist, und es tut mir außerordentlich leid«, hat Pofalla gestern seinen Ausraster selbst bestätigt. Und was sagt die Bundeskanzlerin zu dem Umgangston ihres engen Vertrauten? Nichts. Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hinze (CDU) versuchte zwar gestern, das Feuer um Pofalla auszutreten, aber seine Löschversuche kommen zu spät und zaghaft. Pofalla hat sich das falsche Thema und das falsche Opfer ausgesucht. Die Debatte um den Euro-Rettungsschirm steckt voller Sprengstoff. Jede Äußerung dazu kann in der nächsten Stunde von der Wirklichkeit überholt sein. Ohne jede Häme können die Euro-Skeptiker im Parlament darauf hinweisen, dass die Lage möglicherweise noch schlechter ist als die Stimmung. Schneller, als der Bundesregierung lieb ist, könnte auch Italien um Hilfe rufen. Dafür ist aber der bisherige Rettungsschirm viel zu klein. Das befürchten auch die Abgeordneten aus der Regierungskoalition, die zu weiteren Krediten und Bürgschaften zugunsten notleidender Euro-Länder Nein sagen. Und nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung: Die Schulden- und Eurokrise ist längst nicht ausgestanden. Der Bundestag wird noch mehr als einmal Beschlüsse fassen müssen, für die der deutsche Steuerzahler einstehen muss. Will der Kanzleramtsminister die Abweichler überzeugen oder verbal niedermachen? Früheren Euro-Rettungsmaßnahmen hatte Wolfgang Bosbach zugestimmt. Für ihn war jetzt die rote Linie erreicht, die er nicht überschreiten konnte und wollte. Auch ein Kanzleramtsminister muss die Gewissensentscheidungen der Abgeordneten respektieren. Das schreibt ihm sogar das Grundgesetz vor. Dass sich Pofalla als Ziel seiner Wutattacke ausgerechnet Bosbach ausgesucht hat, beweist, wie sehr seine Nerven blank liegen. Es ist doch Bosbach, der sich zu jeder Tages- und Nachtzeit vor die Mikrofone stellt und Schwarz-Gelb auch dann noch verteidigt, wenn andere sich längst weggeduckt haben. Ganz Parteisoldat, verzichtet Bosbach darauf, Öl ins Feuer zu gießen. Für ihn sei Pofallas Ausraster nach der Entschuldigung erledigt - ein honoriges Verhalten. Einen besseren Politikverkäufer als Bosbach kann die Kanzlerin nicht vorweisen. Warum zeigt sie das nicht?
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)