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Boersen-Zeitung: EZB stabilisiert Erwartungen, Kommentar zur Zinserhöhung der EZB von Jürgen Schaaf.

Archivmeldung vom 09.06.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

Nicht nur dass Erwartungen zur Geldpolitik eine Rolle spielen. Vielmehr spielt kaum etwas anderes eine Rolle. Mit diesen Worten kann grob das gegenwärtige Credo der Geldtheorie und der akademischen Notenbankforschung zusammengefasst werden. Der damit verbundenen Erkenntnis und Forderung wurde die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Entscheidung, den Leitzins um einen weiteren Viertelpunkt auf 2,75% anzuheben, vollends gerecht.

Die Teuerungsrate am aktuellen Rand darf ruhig etwas über der selbst gesteckten Zielmarke liegen. Wenn angebotsseitige Schocks wie ein hoher Ölpreis oder höhere Verbrauchssteuern vorübergehend die Teuerung beschleunigen, muss eine Zentralbank nicht nervös oder gar hysterisch werden. Solange die Marktakteure ihr abnehmen, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht in den Zielbereich zurückfindet, ist alles im Lot.

Genau dieses Vertrauen war jedoch gefährdet. Umfragen und Indikatoren deuteten in den vergangenen Monaten darauf hin, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen sich zunehmend von den 1,9% entfernten, die die EZB als mit Preisstabilität vereinbar ansieht. Ein alarmierendes Signal.

Insofern ist es konsequent, den Leitzins schrittweise zu erhöhen, um zu signalisieren, wie ernst die Notenbank diese Entwicklung nimmt. Auch den Tarifpartnern wird gezeigt, dass die Notenbank zu hohe Lohnforderungen nicht mit leichtem Geld alimentieren wird. Das Entstehen einer Lohn-Preis-Spirale wird von der EZB nicht geduldet. Zugleich dokumentiert der "kleine" Zinsschritt, dass die EZB nicht nervös ist. Vereinzelt wurde eine Zinserhöhung von 50 Basispunkten erwartet. In der Ruhe liegt jedoch die Kraft.

Dass die Zügel weiter angezogen werden, macht auch eine technische Änderung in der Inflationsprojektion deutlich. Sie berücksichtigt jetzt die Markterwartungen zur kurzfristigen Zinsentwicklung, während sie zuvor von einem unveränderten Zinsniveau ausgegangen war. Auch diese Änderung betont die Bedeutung der Markterwartungen. Deshalb wird die EZB weiter in kleinen Schritten die Zinstreppe hinaufsteigen, das nächste Mal wohl Ende August. Auch dies trägt dazu bei, die Erwartungen zu stabilisieren, und hilft, die Inflation im Zaum und die langfristigen Zinsen niedrig zu halten.

Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung

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