LVZ: Sieg der Pressefreiheit
Archivmeldung vom 28.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuch Goethe konnte irren. Nach "Pressfreiheit" schreie niemand, "als wer sie missbrauchen will", lästerte Deutschlands literarischer Übervater in Staatsdiensten - und lag damit fundamental falsch. Der große Denker mag entschuldigt sein. Denn die Zeit, in der er lebte, war noch nicht überall so weit. Heute aber sollte es eine aufklärerische Binsenweisheit sein: Ohne freie Presse keine freien Menschen - und keine Demokratie.
Die Gängelung und Einschüchterung
der Presse bis hin zu ihrer Bevormundung und Entmündigung ist oft ein
schleichender Prozess, wie beispielsweise die Entwicklung in Russland
zeigt. Deshalb ist es wichtig, selbst dort den Anfängen zu wehren, wo
die Pressefreiheit nur in Ansätzen in Gefahr ist. Das gilt auch für
die westlichen Demokratien.
Dass jetzt das Bundesverfassungsgericht dem deutschen Staat die
weiten Grenzen von Pressefreiheit aufzeigt, ist eine für unsere
Demokratie wichtige und wohltuende, aber leider notwendige
Klarstellung. Es ist eine Ohrfeige für all jene Politiker, die die
rechtswidrige Durchsuchung der Redaktionsräume des Politmagazins
Cicero verteidigten oder gar guthießen. Besonders der ehemalige
SPD-Innenminister Schily ist blamiert, der den unglücklichen Eindruck
vermittelte, unbotmäßigen Journalisten könne ein bisschen staatlicher
Druck nicht schaden. Und wenn der Unions-Rechtsexperte Gehb sogar
noch nach dem höchstrichterlichen Karlsruher Spruch ohne spürbaren
Lerneffekt von geschwächten Ermittlungsbehörden und gestärkten
Geheimnisverrätern schwadroniert, beweist dies, dass die Debatte noch
längst nicht ausgefochten ist. Umso wichtiger war der juristische
Feldzug der Cicero-Verantwortlichen gegen das offensichtliche
Unrecht: Sie haben der Pressefreiheit in Deutschland zu einem Sieg
verholfen, von dem auch andere Medien profitieren werden. Egal, ob es
um Recherchen von nationaler oder lokaler Bedeutung geht. Missachtete
Grundrechte von Journalisten sind auch die von Lesern, Hörern und
Zuschauern.
Natürlich: Bevor Journalisten behördliche Verschlusssachen als
Rechercheergebnisse verarbeiten, müssen sie deren Wahrheitsgehalt und
das öffentliche Interesse an einer Publizierung überprüfen. Aber
oftmals können Missstände, staatliche Entscheidungen oder politische
Entwicklungen nur mit Hilfe interner Behörden-Akten aufgedeckt oder
transparent gemacht werden. Dass dies möglich ist, ohne das
Journalisten deswegen bestraft oder belästigt werden, stärkt die
demokratischen Strukturen - und ist für eine selbstbewusste
Demokratie selbstverständlich. Weil das deutsche Behörden und
Politiker immer häufiger nicht mehr hinnehmen wollten, hat Karlsruhe
die Notbremse gezogen. Gefordert ist jetzt aber der Gesetzgeber. Denn
nach dem Urteil können recherchierende Journalisten unter bestimmten
Voraussetzungen noch immer wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat
angeklagt werden. Damit muss Schluss sein. Die Gesetze müssen
umgehend geändert werden. Damit nicht genug: Noch immer droht die
Überwachung von Telefonen und Rechnern von Journalisten. Auch das
schwächt den Informanten- und Quellenschutz - und damit die
Pressefreiheit.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung