WAZ: Atompannen stärken den Minister
Archivmeldung vom 19.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWelcher Minister hat schon einen prominenten Atommanager als Kerbe in seinem Colt? Der Vattenvall Europa-Chef Rauscher hat nach einer Pannenserie seinen Rücktritt angeboten.
Die These sei vertreten: Ohne das energische und öffentlichkeitswirksame Auftreten von Umweltminister Gabriel hätte sich die Republik über die "dramatischen Fehler" (Bundeskanzlerin Merkel) der Vattenfall-Informationspolitik im Zuge der Pannen in den Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel zwar mokiert, aber Folgen im Topmanagement hätte es wahrscheinlich nicht gegeben.
Gabriel hat mit dem sicheren Instinkt eines großen politischen
Talentes die Atomindustrie vor sich hergetrieben, wie sie es
wahrscheinlich nie für möglich gehalten hätte. Möglicherweise hat
Gabriel und damit die SPD mit der Atomdebatte ein Thema gefunden, wie
es Schröder mit dem objektiv abfälligen, aber rhetorisch genialen
"Professor aus Heidelberg" entdeckt hatte. Im Bundestagswahlkampf
2005 titulierte Schröder so Paul Kirchhof, der ein vereinfachtes
Steuermodell vorstellte, das vor allem die SPD-Klientel als unsozial
verstand. Aus der Trumpfkarte der CDU wurde eine Lusche. Schröder
holte die SPD auf diese Weise aus dem Tief, in dem sie jetzt nach
zwei Jahren Großer Koalition wieder steckt.
Gabriel weiß, dass die Atomtechnologie in Deutschland gegen die
Bevölkerung nicht durchzusetzen ist. Und auf diese Karte setzt der
Minister, den manche in der Industrie gerne wieder gegen seinen
Vorgänger Trittin eintauschen würden, der eben nie Kanzler werden
wollte. Keiner in der SPD-Spitze kann so gut reden, spricht so leicht
und behände die Menschen an. Gabriel ist Populist (gemeinsamer
Auftritt mit Eisbär Knut) und ein Naturtalent, das schon schwere
politische Niederlagen überwunden und mit 48 Jahren noch viel Zeit
hat.
Diese braucht er auch, weil die nächste Kanzlerkandidatur dann
doch eher unwahrscheinlich ist, denn in der Bundestagsfraktion hat
der Niedersachse nicht viele Freunde. Seine polarisierende Art kommt
dort nicht besonders gut an. Fachlich kann Gabriel bescheinigt
werden, dass er sich sehr schnell und intensiv in die Bereiche seines
Ressorts eingearbeitet hat. Sein Ministerium gilt als ausgesprochen
schlagkräftig, was von dem seines Gegenspielers, dem
CSU-Wirtschaftsminister Glos, nicht behauptet werden kann. Noch eine
Personalie: Gabriels Staatssekretär Machnig gilt nicht gerade als
ausgewiesener Umweltexperte, dafür als ein herausragender Stratege
für Parteienkommunikation und Wahlkämpfe.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung