Börsen-Zeitung: Die Flucht der Investoren
Archivmeldung vom 02.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVor ein paar Jahren hatte eine bemerkenswerte Studie den Startschuss zur Commodity-Rally gegeben. Renommierte US-Wirtschaftswissenschaftler wiesen in dem Papier nach, dass Rohstoffinvestments attraktive Renditen bieten, wobei diese nicht mit anderen Asset-Klassen wie Aktien positiv korreliert sind.
Dies ist bekanntlich genau das, wonach institutionelle Anleger suchen. Dann traten auch noch prominente und vor allem medienwirksame Investoren wie Jim Rogers auf die Bühne, die Rohstoffe als den wichtigsten neuen Megatrend vermarkteten.
In der Tat konnte man mit Rohstoffinvestments einige Jahre lang vortrefflich verdienen. Selbst für Privatanleger, die man mittels der Erfindung der börsennotierten Fonds, den sogenannten Exchange Trade Funds (ETF), und Zertifikaten erst relativ spät auf den Zug aufspringen ließ, hat sich die Sache eine ganze Weile gelohnt.
Inzwischen macht sich jedoch Katerstimmung breit. Einer der wichtigsten Benchmark-Indizes für Rohstoffinvestments, der Reuters-Jefferies CRB Index, hat mit dem Juli den schlimmsten Monat seit 28 Jahren hinter sich. Er büßte 10% ein, was nur noch von den 10,5% vom März 1980 überboten wird. Da der Index relativ energielastig ist, spielt bei dem Verlust die Korrektur am Ölmarkt eine wichtige Rolle. Aber auch die meisten anderen Commodity-Gruppen bis hin zu den Agrarrohstoffen sehen nicht viel besser aus.
Die Ursachen für die Misere sind vielfältig, wobei es aber einen dominierenden Grund gibt. Zu nennen sind zunächst fundamentale Aspekte. So macht sich die durch die Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft verursachte globale konjunkturelle Flaute bemerkbar. Der in den vergangenen Jahren markante Anstieg des Verbrauchs wichtiger Energieträger und Industriemetalle ist vorerst gestoppt, sodass sich die Marktteilnehmer wesentlich weniger Sorgen machen müssen, ob denn das Angebot überhaupt noch mithalten kann.
Zudem entspannt sich die Situation beim Angebot bei vielen Rohstoffen. Letztlich ist es aber die Flucht der Finanzinvestoren, die bei den jüngsten Korrekturen den Ausschlag gegeben hat. So haben sich beispielsweise am amerikanischen Öl-Terminmarkt erstmals seit Anfang 2007 die Netto-Longpositionen spekulativer, das heißt branchenfremder Marktteilnehmer komplett abgebaut. Dass Finanzinvestoren an den Rohstoffmärkten inzwischen eine Hauptrolle spielen, zeigt das enorme Volumen ihrer Investments: Nach Daten von Barclays Capital betragen die Commodity-Assets inzwischen rund 270 Mrd. Dollar.
Für den Rückzug gibt es einige Motive. So galt es für viele Adressen, im Rahmen der Krise aufgetretene Finanzlöcher zu stopfen. Zudem hat mit der austrocknenden Liquidität die Volatilität auf den Rohstoffmärkten dramatisch zugenommen. Auf dem Ölmarkt sind Tagesspannen von 10 Dollar je Barrel keine Seltenheit mehr. Ferner bereiten den Investoren jüngste US-Gesetzesinitiativen Sorgen, mit denen die Spekulation bei Rohstoffen eingedämmt werden soll.
Damit stellt sich die Frage, ob nun auf dem Rohstoffmarkt eine Überbewertungsblase geplatzt ist und man sich daher nun auf magere Jahre einzustellen hat. Dafür spricht, dass Bubbles oftmals mit dem Auftreten neuer Finanzinstrumente im Zusammenhang stehen. Bei den Rohstoffen wäre dies der Aufstieg der ETF. Zudem zeigt der jüngste Preisrutsch bei Öl von mehr als 20% einen Bärenmarkt an - zumindest dann, wenn man klassische Indikatoren aus dem Aktienmarkt anwendet.
Letztlich dürfte aber den Ausschlag geben, dass die langfristigen fundamentalen Trends - vor allem der Aufstieg der Schwellenländer - weiterhin intakt sind. Insofern stellt die gegenwärtige Situation lediglich eine der Korrekturen dar, wie es sie in den vergangenen Jahren häufiger gegeben hat. Dass sie diesmal besonders ausgeprägt ist, hängt damit zusammen, dass die Preisanstiege zuvor bei vielen Rohstoffen ungewöhnlich kräftig waren.
Und auch die Finanzinvestoren werden sich wieder auf den Rohstoffmärkten einfinden. Ihre Flucht vor allem in die Asset-Klasse Aktie - wie sie an den jüngsten Bodengewinnen bei den Dividendentiteln abzulesen ist - wird wegen der anhaltenden Finanzkrise kaum von Dauer sein.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Dieter Kuckelkorn)