Lausitzer Rundschau: Zum deutsch-polnischen Verhältnis: Alter Affe Angst
Archivmeldung vom 12.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVolle Angst voraus. In Polen hat der Wahlkampf für die Regionalwahlen im November begonnen. Und mit der alten Furcht vor einem starken Deutschland gehen die nationalkonservativen Parteien wieder auf Stimmenfang.
Nur so waren zuerst die scharfen Reaktionen
des Staatspräsidenten Lech Kaczynski von der polnischen
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf die auf ihn
gemünzte Satire einer Berliner Tageszeitung zu verstehen, die ihn als
Polens neue Kartoffel bezeichnete. Nur so ist auch das Verhalten von
Zwillingsbruder Jaroslaw, dem gleich gesinnten Ministerpräsidenten,
erklärbar. Dieser hatte kürzlich alle Annäherungsversuche von
Bundespräsident Horst Köhler (CDU) am Tag der Heimat des Bundes der
Vertriebenen abgeblockt, auf dem Köhler für Verständigung warb. Ohne
dessen Rede überhaupt gekannt zu haben, war für den polnischen
Regierungschef der Auftritt ein beunruhigendes Ereignis. Dass jetzt
der ultranationalistische Koalitionspartner Liga Polnischer Familien
(LPR) die Karte der deutschen Minderheit in Polen ausspielt, war nur
eine Frage der Zeit. Per Gesetz, so wurde gefordert, sollten der
deutschen Minderheit die Sonderrechte entzogen werden, die ihr eine
Vertretung im nationalen Parlament garantieren. De facto wäre damit
der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag von 1991 infrage gestellt
worden. Ein außenpolitischer Affront, der in der polnischen
Gesellschaft wohl kaum Unterstützung finden wird. Denn der zur Wende
noch wohlgenährte sprichwörtliche Alte Affe Angst, der der polnischen
Bevölkerung vor den deutschen Dorfnachbarn in Schlesien lange Zeit im
Nacken saß, ist dürr geworden. Obwohl sich dort die Deutschen nun in
Vereinen organisieren dürfen, ist Revanchismus nicht zu spüren.
Minderheit und Mehrheit leben miteinander, sind verwandt. Dort
bestimmt Angst nicht das Kreuz auf dem Wahlzettel. Das zeigte das
schlesische Ergebnis bei den Parlamentswahlen 2005: PiS und LPR
fuhren miserable Werte ein.
Lech Kaczynski tat gut daran, seine bekundete Sympathie für die
Einschränkung der Minderheitenrechte nun auf dem Gipfeltreffen in
Helsinki zurückzunehmen. Schluss mit den Parolen und Tacheles reden -
das Gebot der Stunde beim Treffen des polnischen Staatschefs mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 30. Oktober. Was die
Bevölkerung am schlesischen Gartenzaun vorlebt, sollten Politiker in
Warschau und Berlin nachmachen: Vorurteilen zum Trotz, aufeinander
zugehen, um die Angststarre endlich zu lösen.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau