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Westfalenpost: Politische Geisterfahrt

Archivmeldung vom 10.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das sozialdemokratische Kuriositätentheater dreht sich immer schneller. Die "hessischen Verhältnisse", schon als Unwort des Jahres vorgeschlagen, treiben irre Blüten und gipfeln in der Beschimpfung der eigenen Landtagsabgeordneten Metzger, die sich der Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Linke verweigerte.

Man kann's kaum glauben. Anscheinend muss man den machtgierigen Politikern erneut ins Stammbuch schreiben, dass nach Artikel 38 des Grundgesetzes Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes sind, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verpflichtet. Angesichts der bisherigen Ereignisse bleibt für die SPD nur festzuhalten, dass jedes kategorische Nein zur Zusammenarbeit mit der Linken verbrannt ist, der Wortbruch bleibt als Lüge im Gedächtnis. Dazu passt auch, dass Frau Ypsilanti ihre Meinung zur Absage einer Minderheitsregierung relativierte. Die politische Geisterfahrt ist nicht beendet, der neue Sprachgebrauch lautet jetzt: Das Vorhaben liege "nur auf Eis." Auch das belegt abermals: In Wiesbaden als auch Berlin gibt es kein professionelles Krisenmanagement. Neben den moralischen Unzulänglichkeiten fällt die handwerkliche Unfähigkeit auf. So sehr sich Fraktionschef Struck bemüht, den Vorsitzenden aus der Schusslinie zu halten, so klar ist und bleibt es, dass Ypsilanti den Freibrief für ihr Vorhaben von Kurt Beck bekam. Nicht das erste Mal, dass die Strategen der SPD Probleme damit haben, die plötzlichen Richtungswechsel von Beck zu erklären. Ob bei der Agenda 2010 oder den Koalitionsvorgaben für die Landesverbände - das Taktieren des Vorsitzenden ist unausgegoren. Er hat die politische Mitte freiwillig geräumt, sich als Vorzeigepolitiker ins Abseits manövriert und die Sozialdemokratie in eine Krise geführt. Und was machen Vorstand und Parteirat? Sie klatschen öffentlich Beifall, demonstrieren Solidarität und Loyalität. Intern rappelt es wohl gehörig, gleichwohl trauen sich die Alternativen Steinmeier und Steinbrück nicht aus der Deckung. Acht Vorsitzende in 15 Jahren sind ja Beleg dafür, dass die Sozialdemokraten oftmals vor der Wand standen. Dort sind sie wieder angekommen. Der Aufbruch in die soziale Moderne ist grandios gescheitert. Mit überhasteter Eile auch Kurt Beck - den SPD-Chef will man nicht schon wieder austauschen, als Kanzlerkandidat hat er ausgespielt.

Quelle: Westfalenpost (von Jörg Bartmann)

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