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FT: Zeit zum Streit

Archivmeldung vom 22.12.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.12.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Bundesgerichtshof entdeckte die Gesetzeslücke unerwartet: Die genetische Untersuchung künstlich befruchteter Embryonen ist in Deutschland nicht geregelt, stellten die Richter im Juli fest, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) sei "mithin erlaubt". Das Erstaunen war groß. Politiker aller Parteien waren jahrelang selbstverständlich davon ausgegangen, dass es verboten sei, Embryonen zielgerichtet zu untersuchen und sie bei Nichtgefallen zu vernichten.

Es herrschte Einigkeit: Diese Gesetzeslücke muss schnell geschlossen werden. Doch schnell wird es nicht gehen, denn das Urteil hat vieles verändert. Das Aussondern unerwünschter Embryonen ist heute kein Tabuthema mehr. Den Befürwortern eines absoluten PID-Verbotes - darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel - steht eine wachsende Gruppe gegenüber, die die Möglichkeiten moderner Gen-Diagnostik ausschöpfen will. Hauptargument: Das geltende Recht erlaube den Schwangerschaftsabbruch, wenn zu befürchten ist, dass ein Kind schwerkrank zur Welt kommt. Entsprechend müsse auch die Tötung eines schwerkranken Embryos bereits vor Beginn der Schwangerschaft möglich sein. So sieht es auch der gestern vorgestellte Entwurf einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Parlamentariern vor: Genuntersuchung und Vernichtung eines Embryos soll erlaubt sein, wenn die Eltern von einer schweren erblichen Vorbelastung wissen oder wenn eine Tot- oder Fehlgeburt droht. Doch ist dieser Entwurf nur der erste von drei Anträgen. Ein zweiter sieht ein umfassendes PID-Verbot vor, ein dritter erlaubt die PID, wenn der Tod des Kindes zu befürchten steht. Diese Meinungsvielfalt ist gut. Der Streit um die ethischen Grenzen moderner Medizin gehört zu den wichtigsten Diskussionen, die wir aktuell führen. Deshalb ist es wichtig, die Gesetzeslücke nicht zu schnell zu schließen, sondern wohldurchdacht. Dabei sollte jeder Politiker nach seinem Gewissen entscheiden können. Fraktionszwänge darf es in dieser Frage nicht geben.

Quelle: Flensburger Tageblatt

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