Westfalenpost: Vermeidbarer Schock Allianz streicht 7500 Arbeitsplätze
Archivmeldung vom 23.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn ein Konzern so radikal umgebaut werden muss wie jetzt die Allianz Versicherung, dann legt das den Verdacht auf Schlafmützigkeit oder Entscheidungsschwäche des Managements nahe. Die Streichung von 7500 Stellen inklusive Standortschließungen - eine Notoperation - hätte sich bei früherem Eingreifen vielleicht vermeiden lassen.
Dass kein Stein auf dem anderen bleibt und kein Arbeitsplatz von den
Umstrukturierungen unberührt, hören Börsianer und Analysten gern -
lieber jedenfalls als die Beschäftigten, die sich lange in Sicherheit
gewähnt haben. Immerhin waren sie beim europäischen Marktführer
angestellt, dem deutschen Vorzeigeunternehmen schlechthin, einem
Symbol für Solidität.
Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Andere haben aufgeschlossen
und die Allianz überholt: beim Ertrag und - wie die Direktversicherer
- mit günstigen Tarifen. Die Allianz blieb, auch in ihrer
Organisation, behäbig. Jetzt müssen die Hausaufgaben nachgeholt
werden, die bereits in den 90er Jahren hätten erledigt werden sollen.
Aber damals hat wohl der Versicherungs-Boom nach der deutschen
Einheit den Blick in die Zukunft etwas zu schön gefärbt - was im
übrigen kein gutes Licht auf den damaligen Allianz-Chef und
Grandseigneur der deutschen Wirtschaftselite, Henning Schulte-Noelle,
wirft.
Wenn die Allianz-Führung glaubt, jetzt werde Ruhe einkehren, dann
täuscht sie sich. Das Rumoren wird gewaltig sein. Den Beschäftigten
wird drastisch vor Augen geführt, dass ihnen zuletzt nicht immer
reiner Wein über den Zustand ihres Unternehmens eingeschenkt worden
ist. Zudem gilt der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen nur noch
für anderthalb Jahre. Dies erhöht das Druckpotenzial des Konzerns
erheblich, im Gespräch mit den Mitarbeitern zu Lösungen in seinem
Sinne zu kommen. Sozial verträglich sind diese oft nur auf dem
Papier.
Der Tanker Allianz ist in der globalisierten Versicherungswelt
angekommen. Die Manager mögen sich für ihren Schnitt rühmen. Für die
Beschäftigten ist er ein Schock.
Quelle: Pressemitteilung Westfalenpost