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WAZ: Stahlfusion gelingt nur mit den Arbeitern

Archivmeldung vom 24.11.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.11.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Tradition kann viel wert sein - vor allem jenen Menschen, die sie schätzen und pflegen. Aber Tradition ist kein Wert an sich und deshalb in keiner Konzernbilanz zu finden. Umgekehrt ist auch nicht jede Zahl rational und nicht jeder, der mit Zahlen handelt, eine Geisel der Logik. So wurde zuletzt jedes noch so schwache Signal aus dem Thyssen-Krupp-Hauptquartier, die Abspaltung des Stahlgeschäfts rücke näher, an der Börse bejubelt.

Gestern nun jubelten die Finanzmärkte über eine unerwartet gute Bilanz des Dax-Konzerns. Dass es der Stahl war, der sie aufhübschte, weil er kräftige Gewinne abwarf, verkam zur Randnotiz. Er muss trotzdem raus aus der Bilanz - findet Konzernchef Hiesinger und mit ihm die Börse. Den Ärger der Stahlkocher darüber, dass Hiesinger sie loswerden will, fachen ihre aktuell guten Ergebnisse nur weiter an. Sie fühlen sich verraten und verkauft, dies umso mehr, da sie stolz sind auf ihre Arbeit, auf ihr Produkt. Dazu haben sie auch allen Grund.

Für ein auf dem Börsenparkett ungeliebtes Relikt der Schwerindustrie ist der Stahl aus Duisburg, Bochum und Andernach ziemlich gefragt - und aktuell auch wieder rentabel. Doch um Momentaufnahmen geht es Hiesinger nicht. Er will den Konzern mit weitem Blick in die Zukunft neu aufstellen und sieht sein Kerngeschäft in durchaus stählernen Hightech-Produkten wie Aufzügen, Autoteilen und U-Booten, aber nicht mehr in der Stahlproduktion selbst. Das nachzuvollziehen, muss Stahlkochern nahezu unmöglich sein.

Doch die weltweite Überproduktion, die steigende Qualität des Billigstahls aus Asien und Risiken durch europäische Klimaauflagen machen die Zukunft der Hochöfen schwer kalkulierbar. Das ist ein Problem für börsennotierte Unternehmen, die noch mehr nach ihren Prognosen als ihren aktuellen Zahlen bewertet werden. Den Vorwurf, er denke nur an die Kapitalseite und nicht mehr an die Beschäftigten, wird Hiesinger so bald nicht mehr los. Doch auch wenn er der oberste Angestellte des Konzerns ist, bleibt er ein Angestellter und damit den Besitzern des Unternehmens verpflichtet. Und das sind die Geldgeber, die Aktionäre. Man muss das nicht gut finden, aber akzeptieren.

Es ist freilich nicht einerlei, ob ein Mischkonzern eine ungeliebte Sparte loswerden oder ob der aus Stahl gebaute Traditionskonzern Thyssen-Krupp seine Keimzelle ausgliedern will. Das hat keineswegs nur mit Sentimentalitäten zu tun, sondern mit echten Risiken fürs Geschäft durch die Protestmacht der Stahlkocher. Es gibt kaum eine widerstandsfähigere Belegschaft als die der Thyssen-Krupp-Stahlwerke. Die Fusion mit Tata gegen sie durchzupeitschen, wäre nicht klug. Hiesinger hat immer wieder betont, den Konsens mit den Arbeitnehmern zu suchen. Was deren Vertreter zu ambitionierten Forderungen veranlasst wie die Zehn-Jahres-Jobgarantie. In den kommenden Wochen wird es nun Zeit, nicht mehr mit Verlautbarungen zu hantieren, sondern am Verhandlungstisch zu einem Kompromiss zu finden.

Dazu hat in früheren Jahren der größte Einzelaktionär häufig entscheidend beigetragen: die Krupp-Stiftung. Dass sie sich aus diesem Kernkonflikt diesmal heraushält, ist nicht nur für die Stahlkocher enttäuschend. Der Hügel ist dem Erhalt und dem Zusammenhalt des Unternehmens verpflichtet. Ob das mit oder ohne den Stahl als Kerngeschäft besser gelingen wird, lässt sich aus Eigentümersicht durchaus unterschiedlich bewerten. Aber eine klare Meinung dazu sollte die Stiftung schon haben. Und diese dann auch äußern.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots) von Stefan Schulte

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