Börsen-Zeitung: Der große Bluff
Archivmeldung vom 20.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Spiel ist aus, und das ist gut so. Die Deutsche Post und in persona ihre Experten in Sachen Mergers & Acquisitions - der amtierende Vorstandsvorsitzende Frank Appel und Finanzchef John Allan sowie in besonderer Verantwortung Appels Vorgänger Klaus Zumwinkel: Sie alle sind die großen Verlierer im Postbank-Poker.
Monatelang haben sie die Mitspieler, das Publikum und - ohne es zu merken - nicht zuletzt sich selbst geblufft. Obendrein hat namentlich Zumwinkel mit gezinkten Karten gespielt. Erst hatte der vormalige oberste Post-Mann und Postbank-Aufsichtsratsvorsitzende jahrelang ewige Treue zur Tochter geschworen und deren Verkauf kategorisch ausgeschlossen. Dann plötzlich trickste er ihre Aktie mit kursrelevanten Andeutungen über Verkaufsabsichten in rekordverdächtige Höhen.
Öffentlich festgelegt hat sich Zumwinkel freilich so wenig wie sein Nachfolger. Unbestimmt zu bleiben gehörte zum Spiel mit den Investoren, das zwar leicht zu durchschauen war, auf das gleichwohl viele reingefallen sind - man wusste ja nie genau, ob gerade Spiel oder Ernst angesagt war. Der Mehrheitseigner von Deutschlands nach Kundenzahl führender Retailbank wusste es mitunter selber nicht. Das ist legitim. Verkaufsgespräche müssen natürlich die Möglichkeit offen lassen, dass nicht verkauft wird. Nicht legitim erscheint es aber, solche Gespräche mit Kurspflege Zumwinkelscher Art vorzubereiten und zu begleiten. Wenn ein Akteur mit Insiderwissen das Geschehen derart in seinem Sinne beeinflusst, hat das nichts mit dem gerade auch am Kapitalmarkt gebotenen Fairplay zu tun.
Nun sind der Post anscheinend endgültig die Kaufinteressenten abhanden gekommen. Oder sollte der große Bluff gerade auf der anderen Seite stattfinden und dort jemand gezielt versuchen, den Postbank-Kurs weiter in Richtung Emissionspreis vom Juni 2004 zu prügeln? Diesen 28,50 Euro ist das Papier mit aktuell 40,01 Euro inzwischen jedenfalls deutlich näher als dem einstigen Hoch über 70 Euro. Und wurde noch vor wenigen Monaten von Bewertungen in der Gegend von 13 Mrd. Euro fantasiert, findet die Post heute nicht mal bei einem Börsenwert unter 7 Mrd. Euro einen Käufer für ihre 50% und eine Aktie. Das Poker ist längst zum Trauerspiel geworden, unter dem die zunehmend verunsicherten Beschäftigten der Postbank ebenso leiden wie viele Kunden und sämtliche Aktionäre. Man sollte es endlich auch offiziell für beendet erklären.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Bernd Wittkowski)