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Leipziger Volkszeitung zur Demokratie-Umfrage

Archivmeldung vom 04.11.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Da zeigen sich Hoffnungsschimmer am Wirtschaftshorizont in Form steigender Steuereinnahmen und leicht sinkender Arbeitslosenzahlen - doch die Stimmung im Lande sackt auf den Tiefpunkt. Wer da glaubte, die große Koalition hätte die Bevölkerungsmehrheit hinter sich, sieht sich arg getäuscht.

Im Gegenteil: der Glaube an die Demokratie schwindet, das Empfinden sozialer Ungerechtigkeit steigt. Die beängstigend hohen Zahlen haben ihre Ursache nicht vorrangig in sozialer Not, sie resultieren in erster Linie aus Unsicherheit und Zukunftsangst. Die regierungsseitige Flickschusterei, die derzeit als Reformpolitik verkauft wird, sorgt weder für Stabilität noch für Optimismus. Noch äußert sich Demokratieverdrossenheit vorrangig in Wahlverweigerung. Braune und dunkelrote politische Rattenfänger stehen jedoch in den Startlöchern. Zwar sind Parallelen zum Ende der Weimarer Republik gottlob noch nicht dominant, die Gefahr einer Zerreißprobe für die Demokratie ist aber latent.
Unter der Maxime "Die da oben, wir hier unten" driften Politiker und Volk auseinander. Ursächlich an diesem Bild mitgearbeitet haben Wirtschaftsmanager vom Schlage Ackermann, Esser und Co. Solange Industriekapitäne den Anschein vermitteln, ihnen liege ausschließlich ihr eigenes Wohl und das ihrer Aktionäre am Herzen, wird das Ungerechtigkeitsgefühl, das sich aus dem Spektrum zwischen gefühlter Armut und bloßem Neid bewegt, weiter verstärkt. Firmenchefs, die vorrangig über Personalabbau sinnieren und kaum einen Gedanken daran verschwenden, wie durch neue, bessere Produkte der Gewinn gesteigert werden könnte, verstärken Ablehnungshaltung und Lethargie. Demokratie-Gestaltung, persönliche Freiheit, Menschenrechte, Probleme Ausgegrenzter, Umgang mit Natur und Umwelt waren Themen, die maßgeblich zum Zusammenbruch des Kommunismus führten. Einst als der westlichen Welt überlegene Gesellschaftsordnung gepriesen, erwies sich das Modell als untauglich, womit Alternativen zur Demokratie fehlen. Frei wählen zu dürfen, sich auch kritisch in politische Prozesse einbringen zu können, lesen zu können was und reisen zu können wohin man will, sind als Themen des Herbstes '89 verdrängt. Materielle Ängste, Sorgen um den Arbeitsplatz, Fragen zum Umgang mit Ausländern, soziale Ausgrenzung, offen zu Tage tretende Gewaltbereitschaft an ihre Stelle getreten.
Die Losung "Wir sind das Volk" brachte einen ganzen Staat zum Einsturz, "Wir sind ein Volk" ließ eine neue Bundesrepublik entstehen. Jetzt braucht das Land Akzeptanz, Toleranz und Handlungsbereitschaft. Angefangen bei Politikern und Managern, die Teil der Gesellschaft sind, besondere Verantwortung tragen und dabei doch auf jeden Einzelnen angewiesen sind, den sie als Wähler, Käufer oder Kunden gewinnen wollen. Wenn sie dann noch den mündigen Bürger und den leistungsbereiten Arbeitnehmer entdecken, könnten die alarmierenden Umfrageergebnisse doch noch einen positiven Sinn haben.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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