Die Leipziger Volkszeitung zu Bahn/Lokführer
Archivmeldung vom 27.11.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer hätte das gedacht? Die Gewerkschaft der Lokführer ist zu Verhandlungen bereit. Nachdem bereits am Wochenende Details des neuen Bahn-Angebots bekannt geworden waren, hatte fast jeder erwartet, dass die GDL aus Gnatz die Signale wieder auf Streik stellt. Weit gefehlt.
GDL-Chef Manfred
Schell, dem mindestens ebenso viel Dickköpfigkeit nachgesagt wird wie
seinem Bahn-Kontrahenten Hartmut Mehdorn, zeigte sich gestern bei
aller Kritik gesprächsbereit.
Mit dieser Haltung dürfte er sich einige Sympathie-Punkte erworben
haben. Der schwarze Peter liegt wieder bei Mehdorn. Der hatte in der
gesamten bisherigen Auseinandersetzung nicht gerade ein glückliches
Händchen: Erst bemühte er Gerichte, um Streiks zu verbieten - und
unterlag. Dann verletzte er die vereinbarte Vertraulichkeit, als er
das neue Angebot ausplauderte. Ob das nun eine Mogelpackung - wie von
der GDL behauptet - ist oder nicht: Mehdorn hat schlechte Karten.
Da ist zum einen der von den Lokführern geforderte eigenständige
Tarifvertrag. Der oberste Bahn-Lenker sagt dazu klar Jein: Eigener
Vertrag ja, aber bitte gebunden an die Tarifeinheit im Unternehmen.
Bei dieser Eierei muss er sich schon fragen lassen, worin die
Eigenständigkeit eigentlich bestehen soll. Mit seinem Vorschlag hat
er nicht nur die Lokführer verärgert, auch die zweite Gewerkschaft
unterm DB-Dach fängt zu mosern an. Transnet-Chef Norbert Hansen
jedenfalls muss sich verschaukelt fühlen. Immerhin hatte Mehdorn bei
den von Transnet und Beamten-Gewerkschaft GDBA ausgehandelten 4,5
Prozent mehr Lohn gesagt, dass damit die Schmerzgrenze erreicht sei.
Den Lokführern aber will er nun zwischen acht und 13 Prozent mehr
Geld geben. Wie kann Hansen das seinen Mitgliedern erklären? Gar
nicht. Die wollen jetzt Einkommensverbesserungen zwischen zehn und 15
Prozent. Mehdorn kann sich frisch machen.
Das neue Schlachtfeld, das sich da auftut, zeigt auch die Kalamität
der Gewerkschaften: Jahrelang haben Transnet, GBDA und auch GDL bei
Tarifverhandlungen freundlich genickt. Dann macht sich die kleinste
Truppe um Schell zum Widerstandskämpfer, bricht aus dem Trio aus und
erreicht für ihre Mitglieder deutlich bessere Angebote. Wie viel
besser wird sich noch zeigen. Auf jeden Fall sind die beiden anderen
nun im Zugzwang. Und nicht nur sie. Beispielsweise ist auch
Verdi-Chef Frank Bsirske beunruhigt. Im Gemischtwarenladen der
Vereinigen Dienstleistungsgewerkschaft sprechen 13 Fachbereiche, die
jeweils eine oder mehrere Berufsgruppen repräsentieren, eine
deutliche Sprache. Sie alle zu vertreten, ist auch für hauptamtliche
Gewerkschafter kaum zu stemmen. Die GDL zeigt: Die Arbeitswelt ist
differenziert, dem sollte die Entlohnung Rechnung tragen. Nur können
andere Gewerkschaften nicht mit Lokführern dienen, die
öffentlichkeitswirksam für ihre Interessen kämpfen.
Krankenschwestern, Verkäuferinnen oder Busfahrer hätten sicher auch
gern mehr Geld. Die Herausforderungen für alle Gewerkschaften nehmen
zu. Dank der GDL rücken bisher vernachlässigte Bereiche wieder ins
Blickfeld der Tarifverhandler. Noch ein Punkt für die Lokführer.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung