Börsen-Zeitung: Woche der Wahrheit
Archivmeldung vom 11.07.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEuropas Aktienmärkte stehen vor einer wegweisenden Handelswoche. Insbesondere in den Vereinigten Staaten haben einige große Namen aus dem Unternehmenssektor die Veröffentlichung ihrer Quartalsberichte angekündigt, von denen Investoren wichtige Signale für die Entwicklung der Unternehmensgewinne insgesamt erwarten.
Überraschen diese Berichte überwiegend positiv, dürfte die inzwischen fünf Wochen anhaltende Abwärtsbewegung an den Börsen auslaufen, denn die Konsolidierung ist vor allem im Zusammenhang mit Gewinnmitnahmen vor der Berichtssaison zu sehen. Überraschen die Berichte dagegen überwiegend negativ, dann werden die Indizes mit erhöhtem Tempo weiter abwärts tendieren.
Marktbeobachter zeigen die Zuversicht, dass es nicht zu dem Negativszenario kommen wird. Denn der Konsens hat sich auf einen kräftigen durchschnittlichen Gewinnrückgang der größten im S&P500 notierten US-Konzerne von 34% eingestellt. Dies, so lautet die Hoffnung, gibt vielen Unternehmen die Chance, positiv zu überraschen. Gestützt wurde diese Sicht gleich zu Beginn der Berichtssaison am zurückliegenden Mittwochabend, als der Aluminiumkonzern Alcoa zwar einen Verlust meldete, dieser aber bei weitem nicht so heftig ausfiel wie befürchtet. Analysten und Investoren werteten das Zahlenmaterial daher umgehend als ein weiteres ermutigendes Zeichen für eine allmähliche Erholung der Konjunktur. Davon profitierten nicht zuletzt die Kurse an Europas Börsen.
Finanzwerte im Fokus
Mit der größten Anspannung blicken Marktteilnehmer - wie schon vor drei Monaten, als die Gewinne im Schnitt um 33% einbrachen - erneut den Bilanzen aus dem angeschlagenen US-Finanzsektor entgegen. Mit Goldman Sachs, JPMorgan Chase, Bank of America und Citigroup werden von Dienstag an gleich vier der renommiertesten Adressen einen Blick in die Bücher gewähren. Der Konsens hat sich lediglich bei der Citigroup auf ein rückläufiges Ergebnis eingestellt, das demnach aber nicht so stark fallen wird wie noch im Vorjahreszeitraum. Von den übrigen drei Banken erwartet der Markt einen kleineren Gewinn als noch vor einem Jahr - aber immerhin einen Gewinn. Für den gesamten Sektor sagen Analysten einen Gewinnrückgang um 50% voraus. Außerhalb des Finanzsektors werden zunächst die Daten von Intel im Mittelpunkt des Interesses stehen. Sie dürften wegen der starken Marktstellung des weltgrößten Chipkonzerns ein Schlaglicht auf den gesamten Technologiesektor werfen. Zudem werden in Europa Philips und Nokia Quartalszahlen präsentieren. Und wenn vor dem Wochenende General Electric Bilanz zieht, wird dies den Akteuren einen guten Eindruck von der Entwicklung in vielen klassischen Industrien vermitteln, denn der US-Mischkonzern ist einer der größten der Welt und in vielen Segmenten des Marktes sehr gut aufgestellt.
Wichtige Signale
Alles in allem werden die nun zur Veröffentlichung anstehenden Quartalszahlen den Investoren also ein sehr gutes Gefühl dafür vermitteln, wie sich die Unternehmensgewinne entwickeln und wie der weitere Verlauf der Berichtssaison zu erwarten ist. Fällt dieses Zwischenfazit positiv aus, wird das den Märkten einen spürbaren Impuls verleihen. Denn wegen der Sorge um die Firmengewinne blieben zuletzt positive Konjunkturdaten aus den USA und Europa wie etwa der Anstieg der Auftragseingänge für die deutsche Industrie an den Börsen weitgehend ohne Wirkung. Es waren aber wichtige Daten, die letztendlich die durch den Anstieg der Sentimentindikatoren geweckten Konjunkturhoffnungen ganz eindeutig verstärken. Wie nachhaltig ein durch die Firmenergebnisse erfolgter Impuls für die Aktienmärkte sein kann, werden insbesondere die Ausblicke entscheiden, die die Vorstände den Aktionären mit Vorlage der Zahlen geben. Bis zuletzt blieben diese Prognosen zumeist sehr zurückhaltend oder gar pessimistisch - wenn sich die Manager überhaupt trauten, eine Perspektive aufzuzeigen. Deshalb wird es nun interessant sein zu beobachten, ob die jüngsten positiven Konjunkturdaten hier zu einer Veränderung führen. Zeigen die Unternehmer mehr Mut, könnte dies nicht zuletzt die Erwartungen für das folgende Quartal aufhellen. Für die S&P500-Unternehmen rechnet der Konsens hier im Moment mit einem Gewinnrückgang von 21%.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Thorsten Kramer)