WAZ: Fernsehjahr 2008 - Maden, Medien, Möchtegerne
Archivmeldung vom 08.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMahlzeit! Zum Auftakt des Fernsehjahres serviert RTL Maden, Kakerlaken, Möchtegern-Promis und ähnliches Gewürm. Zehn bekannte Gesichter der Kategorien B bis F weilen bereits im australischen Busch, um ab Freitag den Ekel und das Abendessen nach oben zu befördern. Wenn das keinen Appetit auf mehr macht, dann ist dem Konsumenten wirklich nicht mehr zu helfen.
Wer heute noch über Dschungelcamps, Big Brothers und Superstars
lästert, wird schon morgen von den Einschaltquoten gezüchtigt. Eine
Regel, die sich auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen längst zu
Nutze gemacht hat, wie Traumschiffe, Ärzte-Serien und musikalische
Volkstümelei beweisen. Da könnte es ein geschickter Schachzug sein,
dass die ARD der Konkurrenz von ProSieben ihre schmale Kultfigur
Bruce Darnell ausgespannt hat. Es muss ja nicht immer schiefgehen wie
bei Pocher.
Die Dinosaurier sind ins Wanken geraten, müssen sich bewegen, um
nicht noch mehr Futterstellen an die angriffslustigen Privaten zu
verlieren. 2007 haben die Bundesbürger erstmals seit vielen Jahren
weniger Zeit vor dem Fernseher verbracht. Vier Minuten sind zwar
nicht mal eine Werbeblocklänge, aber ein Signal für zwei Sender, die
oft für verschnarchte Planung kritisiert werden. Heck ist weg, andere
Fossile wurden schon vor ihm einer Verjüngungskur geopfert. Unter
Artenschutz steht scheinbar nur ein oft toupiertes und nie erreichtes
Trio aus Veronica Ferres, Maria Furtwängler und Christine Neubauer,
das die Filmprojekte munter unter sich aufteilt - die anspruchsvollen
wie die inhaltsleeren.
Dass smarte Zugpferde wie Pilawa und Kerner sich zuletzt gefühlte
365 Tage im Jahr ins Zeug legten, daran wird sich auch 2008 wenig
ändern. Kerner hat zwar das Kochen satt, wird es dafür aber verstärkt
mit Leibesertüchtigung probieren. Nachdem Sport schon als großer
TV-Sieger aus dem Vorjahr ging, kommen nun
Fußball-Europameisterschaft und Olympische Spiele in Peking.
Süß-saurer Beigeschmack für Programmchefs und Publikum: Während ARD
und ZDF als Rechteinhaber frohlocken, bleibt dem Privatfernsehen nach
medialer Schuldner- und Arbeitslosenberatung bald wohl nur noch die
Live-Übertragung von Treffen der anonymen Alkoholiker.
"Alles wird gut" pflegte Nina Ruge die Fernsehwelt früher
gebetsmühlenartig einzulullen. Also: Bleiben Sie dran! Das An- und
Abschalten wird laut Rundfunk-Gebühr erst 2009 teurer. Auf die
Qualität hat das leider wenig Auswirkungen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung