Westdeutsche Zeitung: Pflegenotstand in Krankenhäusern
Archivmeldung vom 20.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Lage vieler Pfleger ist unerträglich. Ihre Belastung steigt seit Jahren, weil immer mehr Planstellen verschwinden, immer mehr Patienten immer schneller behandelt werden müssen. In Deutschland hat sich ein System der Ausbeutung etabliert, das die Gesundheit von Patienten und Pflegern gleichermaßen aufs Spiel setzt.
Bei Politikern und Klinik-Trägern scheint zunehmend in Vergessenheit
zu geraten, dass Krankenhäuser mehr sind als auf Rendite getrimmte
Wirtschaftsbetriebe. Sie müssen gewährleisten, dass Leidende
flächendeckend versorgt werden. Wenn dies nicht mehr gelingt, weil
Ärzte erschöpft und Pfleger ausgebrannt sind, dann muss die Politik
nachjustieren: Kliniken bleiben nun einmal auf Staatszuschüsse
angewiesen, und wenn Patienten durch staatlich verordnete Spardiktate
im Krankenhaus zu Schaden kommen, dann ist etwas faul im
Gesundheitssystem. Wenn eines der reichsten Länder der Erde die
gesellschaftlich so zentrale Arbeit von Krankenschwestern nicht mehr
finanzieren kann, dann muss dieses Land seine
Beschäftigungsstrukturen eben umbauen.
Dennoch sollte die Debatte nicht aufs Geld verkürzt werden. So
unmenschlich eine radikale Ökonomisierung des Gesundheitswesens auch
sein mag: Es gibt viele Möglichkeiten, die Effizienz von
Krankenhäusern ohne personellen Kahlschlag zu steigern. So könnten
Länder und Kommunen, die ihre defizitären Kliniken verlottern lassen,
von erfolgreichen privaten Betreibern lernen. Einige von ihnen
beweisen eindrucksvoll, dass gutes Wirtschaften und gute Pflege
zusammenhängen.
Deutschland leistet sich eines der teuersten Gesundheitssysteme der
Welt, doch jedes Jahr versickern Milliarden, weil es an Transparenz
fehlt und mächtige Lobby-Verbände ein Bollwerk der Beharrung
errichtet haben. So führen Ärzte jährlich zehntausende überflüssige
Operationen durch, um Kasse zu machen, verschreiben unnütze Pillen
für Unsummen, weil es keine unabhängigen Informationen über deren
Wirksamkeit gibt.
Ziel muss deshalb die gläserne Klinik sein. Wo findet der Patient die
beste Pflege, die fähigsten Ärzte? Erst wenn sich das System dem
Wettbewerb um Patienten stellt, wird personeller Kahlschlag für
Klinik-Betreiber zum geschäftsschädigenden Fauxpas.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung