WAZ: Polizei verprügelt Demonstranten: Moskaus Angst vor Demokratie
Archivmeldung vom 16.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Maß an Gewalt, das die russische Polizei in Moskau und Petersburg gegen eine vergleichsweise geringe Menge friedlicher Demonstranten einsetzte, mag auf den ersten Blick verwundern - macht aber aus Sicht des Russland regierenden Regimes von Präsident Wladimir Putin Sinn.
Zwar lassen die Bilder prügelnder Polizisten Russland im Ausland
nicht gut aussehen. Doch das russische Ansehen in westlichen Ländern
ist Moskau schon seit längerem vergleichsweise gleichgültig. Und dies
mit einiger Berechtigung: Der demokratische Westen hat in den sieben
Jahren der
Präsidentschaft Putins schon schlimmere Vergehen - Stichwort
Tschetschenien - ohne Konsequenz gelassen als diesmal den großzügigen
Einsatz von Schlagstöcken gegen ein paar Demonstranten ohne Lobby.
Der eigentliche Sinn der exzessiven Gewalt gegen die
Demonstranten ist freilich, ebenso wie das an einen Bürgerkrieg
erinnernde Polizeiaufgebot, ein innenpolitischer. Der Kreml hat seine
eigene Lektion aus den friedlichen Revolutionen in Georgien und der
Ukraine gezogen, als nach dreisten Wahlfälschungen
Protestdemonstrationen zügig anschwollen und die dortigen Regierungen
schnell abtreten mussten.
Das Regime will Proteste so gering wie möglich halten, mit der
Gewalt Normalbürgern Angst einjagen und sie von der Teilnahme an
Demonstrationen abhalten. Das gilt nicht nur für die Hauptstädte
Moskau und Petersburg: Auch in Nischny Nowgorod prügelte die Polizei
kürzlich schon einen Oppositionsprotest auseinander.
Zudem deutet viel darauf hin, dass der Kreml das Maß an
Repression noch verstärken wird. Weitere Parteiverbote, etwa der
liberalen Jabloko-Partei, sind möglich, ein Verbot der Bürgerfront
von Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow sehr wahrscheinlich. Wie
ernst der Kreml die Proteste nimmt und ihre Ausbreitung fürchtet,
zeigte sich etwa in Petersburg nach einer Demonstration vom 3. März.
Dort gelang es nur wenigen Tausend Demonstranten, auf der Hauptstraße
Newskij Prospekt zu protestieren. Zwei Wochen später wurde der
Geheimdienstchef von Petersburg entlassen - Petersburger Medien
zufolge, weil er es nicht geschafft hatte, den Protest an prominenter
Stelle zu verhindern.
Ob das Kalkül, legitimen politischen Protest mit Gewalt zu verhindern, aufgeht, wird sich zeigen. Langfristig ist es selten eine gesunde politische Strategie, Gewalt gegen friedliche Demonstranten einzusetzen.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung