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WAZ: Das neue BKA-Gesetz

Archivmeldung vom 21.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Auch wenn das Vertrauen in die Demokratie in Deutschland geringer wird, hat diese Demokratie immerhin ein Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürgern hervorgebracht. Mit der Ankündigung einer Volkszählung kann man anders als vor 25 Jahren kaum noch jemanden erschrecken.

Im Gegenteil. Die meisten Menschen gehen im Internet vollkommen sorglos mit ihren Daten um. Viele finden sogar Gefallen daran, Privates zu entblößen. Der Staat wird nicht mehr als überwachende Obrigkeit wahrgenommen.

Ob dieses Vertrauensverhältnis aber auf Gegenseitigkeit beruht, ist eine existenzielle Frage für den Staat und seine Bürger. Was passiert, wenn die Balance zwischen gesundem Misstrauen und gesundem Vertrauen gestört wird, hat die Republik durch die Abhöraffären bei VW und Telekom erfahren und bestürzender noch durch die Bespitzelungsskandale bei Lidl und Aldi. Auf einmal wurde Westdeutschen und jüngeren Ostdeutschen am Beispiel unbescholtener Angestellter, deren Gespräche und Toilettenbesuche protokolliert worden waren, sehr bewusst, wie tief Überwachung verstören und verletzen kann. Erstens. Und zweitens wurde bewusst, dass offensichtlich das Bedürfnis zu Überwachen keine Spezialität der DDR gewesen ist.

Wenn Misstrauen in Kontrollsucht umschlägt, zerstört es Vertrauen. Was bleibt, ist Misstrauen auf beiden Seiten. Bei dem neuen BKA-Gesetz, das im Bundestag gestern mit einiger Leidenschaft debattiert wurde, geht es nicht allein um die Abwägung von Freiheit und Sicherheit in Zeiten terroristischer Bedrohung. Es geht auch um die Frage, die in drastischen Formulierungen der Opposition wie "Super-Spitzel-Behörde" oder "geheime Staatspolizei" aufschien: Wird die Balance zwischen Misstrauen und Vertrauen gehalten?

Grundlegend für diese Balance ist die Überwachung der Überwacher. Bei dem unbehaglichsten Teil des Gesetzentwurfs, den Online-Durchsuchungen, hat der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, bereits größte Bedenken geäußert, weil das BKA selbst entscheiden dürfe, wann eine richterliche Überprüfung geboten sei. Frank glaubt nicht, dass dieses Verfahren den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Mit dieser Kritik muss sich die Große Koalition gründlich befassen. Sollte wieder erst das Bundesverfassungsgericht das Persönlichkeitsrecht verteidigen müssen, wäre das nicht nur ein blamabler, sondern ein misstrauensbildender Akt.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Angela Gareis)


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