Rheinische Post: Politik am Dorfbrunnen
Archivmeldung vom 06.09.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNationale Vollversammlungen vorm TV-Gerät kennt man von ganz großen Fußballspielen. Vielleicht noch von den Durbridge-Krimis in den Sechzigern. Aber ein Kanzler und seine Herausforderin, die 90 Minuten auf schon oft gestellte Fragen schon oft gehörte Antworten geben, als Straßenfeger? Das ist ein verblüffender Befund.
Für einen Abend und die Gespräche des folgenden Tages hat die
Republik ihren Dorfbrunnen wieder. Millionen Bürger versammeln sich,
als wäre die alte griechische Polis nicht längst verschwunden, um
eine kommunikative Mitte. Deutschland setzt sich zu einer
nicht-beliebigen öffentlichen Unterhaltung zusammen ein Schauspiel
nationaler politischer Geselligkeit, das man dem Quasselbudenbetrieb
der Talkshows kaum mehr zugetraut hatte.
Lassen wir mal alles unmäßig Aufgeregte beiseite, ignorieren wir die
Wichtigtuer und Exegeten, lächeln wir höflich über die
Bewertungsfarcen der braven Parteisoldaten. Unterm Strich steht eine
immense Aufmerksamkeit für eine politisch hoch bedeutsame Wahl.
Politikverdrossenheit sieht anders aus. Die bloße Quote nimmt Politik
in die Pflicht. Die Rede von der Mediendemokratie wird oft in
kritischer Absicht gehalten: zu viel Show, zu wenig Inhalt. Diese
Perspektive verstellt den Blick aufs Gute: Interesse wird geweckt.
Millionen Leute wollen wissen, was Merkel und Schröder sagen.
Interesse ist ein Zeichen: Viele spüren, dass es ernst wird.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post