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Berliner Morgenpost: Große Koalition hat das Land nach links gerückt

Archivmeldung vom 06.07.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Erwartungen an die große Koalition waren groß. Zu groß, wie sich am Ende dieser 16. Legislaturperiode herausstellt. Gescheitert sind CDU, CSU und SPD vor allem mit zwei zentralen Herausforderungen: Sie wollten die Staatsfinanzen sanieren mit dem Ziel, ab 2011 wieder ausgeglichene Haushalte zu verabschieden.

Zweitens sollten die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest reformiert werden. Am Ende der Regierungsarbeit von Christ- und Sozialdemokraten ist die Verschuldung so hoch wie nie, die Finanzgrundlagen der dynamischen Rente, des solidarischen Gesundheitswesen und der Pflegeversicherung so ungewiss wie eh und je. Natürlich hat die globale Finanzkrise einen dicken Strich durch die Planung der Regierung gemacht. Aber das Scheitern in zentralen Problembereichen ist nicht allein auf diese äußeren Widrigkeiten zurückzuführen. In wichtigen Fragen sind die Koalitionäre kompromisslos zerstritten; zudem sind auch sie viel zu spendabel mit den jahrelang rekordverdächtig sprudelnden Steuereinnahmen umgegangen. So fehlte das Polster, als die Finanzkrise hereinbrach. Eines kann man der großen Koalition allerdings nicht vorhalten: Sie sei nicht fleißig gewesen. Mehr als 580 Gesetze hat der Bundestag in den vergangenen vier Jahren verabschiedet. So viel wie noch nie in einer Legislaturperiode, die meisten auf Initiative der Regierung. Die inhaltliche Bilanz dieser Gesetzesflut: Die Republik ist politisch weiter nach links gerückt. Weil Angela Merkel des lieben Koalitionsfriedens wegen der SPD in vielen Fragen weiter entgegengekommen ist, als es die CDU- Programmatik eigentlich erlaubt: Breiter Einstieg in den Mindestlohn, Begrenzung von Managergehältern, staatliche Konjunkturprogramme samt Abwrackprämie, selbst die Option Verstaatlichung hat die Kanzlerin der Partei der sozialen Marktwirtschaft nicht geschreckt. Diese programmatische Flexibilität hat Merkels eigene Partei mehr verstört als die Wähler. Der SPD andererseits hat der von ihr ertrotzte Linksruck nicht geholfen. Angela Merkel hat aus der fast verloren gegangenen Wahl 2005 die Konsequenz gezogen, dass mit orthodoxer CDU-Programmatik in einer Gesellschaft, in der die Volksparteien nicht mehr auf ihre angestammten Milieus bauen können, keine Mehrheiten mehr zu erzielen sind, um erstens Kanzlerin zu bleiben und zweitens ein Bündnis mit der FDP zu erreichen. Ob diese Strategie trägt, wird sich am Wahlabend zeigen. Bei allen Mängeln kann sich die große Koalition zu Gute halten, dass sie bislang das Land im internationalen Vergleich recht souverän durch die Finanz- und Wirtschaftskrise führt. Wer daraus allerdings ein Plädoyer für die Fortsetzung des schwarz-roten Bündnisses ableitet, droht einem großen Trugschluss aufzusitzen. Die SPD würde nicht noch einmal vier Jahre als Juniorpartner in einer großen Koalition ausharren. Spätestens zur Halbzeit würde sie den Bruch provozieren, um als Kanzlerpartei mit den Tiefroten und den Grünen weiter zu regieren. Absurd? Eine Blaupause dafür hat Klaus Wowereit schon vor acht Jahren in Berlin abgeliefert.

Quelle: Berliner Morgenpost

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