Börsen-Zeitung: Gelber Pragmatismus
Archivmeldung vom 14.01.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.01.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Commerzbank weiß, wie man sich Schritt für Schritt finanziellen Spielraum verschafft. Im November erst informierte sie über eine Abschreibung auf die Tochter Eurohypo, dank deren ihr Zinszahlungen von 1,5 Mrd. Euro auf die stillen Einlagen des Staates erspart bleiben werden, falls diese Belastung das Ergebnis der AG nach HGB ins Minus drücken sollte.
Nun wird ein Tausch von Hybrid- in Eigenkapital lanciert, der das Eigenkapital einschließlich der Gewinne aus den Rückkäufen um abermals rund 1Mrd. Euro stärken dürfte. Eine Milliarde hier, eine Milliarde dort, und bald schon geht es um richtig viel Geld, scheint das Motto zu lauten. Gegen solchen Pragmatismus ist auch nichts einzuwenden. Das Problem ist, dass die Commerzbank, um den Staat auszuzahlen, nicht die eine oder andere Milliarde braucht, sondern rund 18 Mrd. Euro.
Mit dem angestrebten Exit der öffentlichen Hand hat der Tausch von Hybrid- in Eigenkapital nichts zu tun, signalisiert die Bank. Zu Recht - wenn überhaupt, könnte die Transaktion, welche die Beteiligung des Staates eben nicht vermindert, die Emanzipation von Vater Staat verzögern: Hat eine Aktienemission wie die gestern von der Commerzbank angekündigte den Kurs erst einmal nahe des 52-Wochen-Tiefs gedrückt, braucht es nicht mehr viel Mut zur Ankündigung, im ersten Quartal werde die Bank keine weitere Kapitalerhöhung bekannt geben.
Tatsächlich könnte sich das kurzfristige Bestreben, jedes sich bietende Fenster zur Kapitalstärkung zu nutzen, noch als kurzsichtig erweisen, leidet doch die langfristige Konsistenz der Kapitalmarktkommunikation. Bislang war jedenfalls zu hören gewesen, die Commerzbank wolle im Fall einer Kapitalmaßnahme klotzen und nicht kleckern. Auch hatte Commerzbank-Chef Martin Blessing auf der Bilanzpressekonferenz im Februar vergangenen Jahres erklärt, langfristig sei die Tier-1-Kernkapitalquote mit 10,5% mehr, als die Bank brauche; 7 bis 9% reichten aus. Der Tausch von Hybrid- in Eigenkapital lässt nun sogar die harte Kernquote erst einmal über 10% steigen.
Am Donnerstag haben sich die Anleger um solche Aspekte freilich nicht geschert und fleißig Aktien gezeichnet. Zeigen sie sich ähnlich pragmatisch wie die Bank, wenn es an deren Rekapitalisierung geht, dann hat das Institut alles richtig gemacht.
Quelle: Börsen-Zeitung