Westdeutsche Zeitung: Streit um den Dalai Lama
Archivmeldung vom 01.12.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist bemerkenswert, wie verbissen der Kampf um die Freiheit Tibets innerhalb der Großen Koalition ausgefochten wird. Man weiß nicht mehr, wer Angela Merkels Treffen mit dem Dalai Lama ärgerlicher findet: die chinesische Regierung oder Außenminister Steimeier.
Zu allem Überfluss meldet sich aus Hessen auch noch der im
Wahlkampf zum humanitären Eiferer mutierte Roland Koch zu Wort, der
sich öffentlichkeitswirksam mit seiner Freundschaft zum Oberhaupt der
Tibeter brüstet. Das Thema Menschenrechte ist zur Munition für den
politischen Nahkampf geworden, in dem es um alles Mögliche geht, nur
nicht mehr um eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Sache selbst.
Während Koch sich als Moral-Instanz in Szene setzt und zugleich
eifersüchtig die guten Umfragewerte Steinmeiers verfolgt, blickt
jener mit Argwohn auf die Kanzlerin, die sich als bessere
Außenministerin profiliert. Und dann ist Steinmeier ja auch noch
Vizekanzler und SPD-Parteipolitiker, der sich im Vorgriff auf den
Bundestagswahlkampf gegen die Union positionieren möchte. Nur sollte
er sich genau überlegen, auf welchem Gebiet er die Kanzlerin
attackiert, denn sie hat die Außenpolitik mit Sorgfalt justiert und
im Gegensatz zu ihrem Vorgänger den richtigen Ton gefunden.
In Menschenrechtsfragen beweist Merkel Prinzipientreue; in Moskau
und Peking hat sie gezeigt, dass sie den Umgang mit Grundrechten von
ökonomischen Interessen zu trennen vermag. Mit ihrer Konsequenz
erbost sie zwar die wirtschaftsversessenen, aber
menschenrechtsvergessenen Chinesen, weil jemand aus dem einst so
devoten Deutschland es wagt, ihnen zu widersprechen. Doch wenn die
SPD nun so tut, als habe Deutschland sein Verhältnis zur asiatischen
Supermacht ruiniert, verkennt sie den rituellen Charakter des
Gezeters. Vielleicht setzt Deutschland ein paar Flugzeuge weniger in
China ab. Doch in der Wirtschaftsbilanz wird sich das kaum
widerspiegeln, zumal der Exportweltmeister derzeit seine
Handelskontakte zum neuen Wirtschaftsriesen Indien ausbaut.
Langfristig wird die Chinesen Stärke ohnehin mehr beeindrucken als hündische Ergebenheit, sofern Union und SPD diese Stärke nicht im parteipolitischen Gezänk kleinreden.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Christoph Lumme)