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Börsen-Zeitung: Sinnlose Überflussproduktion

Archivmeldung vom 03.11.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.11.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Als mit dem Untergang von Lehman Brothers erstmals ein Emittent ausfiel und Tausende Anleger ihr in den Produkten des US-Hauses investiertes Geld verloren, schien der Zertifikatemarkt keine Zukunft mehr zu haben. Rund zwei Jahre später reibt man sich verwundert die Augen. Erstmals in der Geschichte des Marktes sind an den deutschen Börsen mehr als 500000 Produkte gelistet! Als hätte es nie eine Krise gegeben, beschleunigt sich die Massenproduktion der Branche immer weiter.

Hintergrund ist der harte Wettbewerb der Zertifikatebranche. Um Marktanteile zu gewinnen oder zu halten, werden für möglichst jeden Anlegertyp und möglichst jede Marktlage die passenden Produkte auf möglichst viele Basiswerte aufgelegt. In diesem Rennen sind diejenigen Emittenten die Gewinner, bei denen Anleger auf der Suche nach einem geeigneten Produkt in der Regel auch fündig werden. Begünstigt wird die Entwicklung auch durch die Gebührenstrukturen. Pro Emittent gilt eine Obergrenze bei den Listing-Gebühren von 50000 Euro pro Monat. Wer diese Grenze erreicht, kann quasi unbegrenzt weiter emittieren, ohne dass sich die Listing-Gebühren erhöhen.

Doch wozu soll dieses Treiben gut sein? Für den Anleger hat es zunächst den angenehmen Effekt, dass ihm mehr Investmentmöglichkeiten zur Verfügung stehen als jemals zuvor. Einen hochhebligen Knock-out-Schein auf den Nebenwert XY, weil der vor einem Ausbruch nach oben stehen könnte? Kein Problem, ein entsprechendes Produkt wird sich schon finden. Mit über 500000 Produkten ist jedoch eine Dimension erreicht, die weit über den Bedarf der deutschen Anleger hinausgeht, von der Möglichkeit, den Dschungel noch zu durchblicken, ganz zu schweigen. Wie viel Überfluss hier produziert wird, belegt die Tatsache, dass in mehr als 80% der Zertifikate nie auch nur eine einzige Transaktion stattfindet.

Die Überproduktion hat zudem negative Folgen. Da für die an Zahl zunehmenden Produkte ständig Kauf- und Verkaufskurse zu stellen sind, müssen umfangreiche IT-Kapazitäten vorgehalten werden, die zudem in der Lage sein müssen, auch in turbulenten und damit sehr aktiven Marktphasen dem zu erwartenden Datensturm standzuhalten. Das erfordert erhebliche Investitionen und kommt die Börsen und die Zertifikatebranche teuer zu stehen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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