Neues Deutschland: zum Raketenvertrag Polen - USA
Archivmeldung vom 21.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Rubikon sei überschritten, hatte Regierungschef Tusk nach zähen Verhandlungen mit Washington vor ein paar Tagen strahlend erklärt. Am Mittwoch wurde das nun in Warschau besiegelt: Beide Seiten unterzeichneten ein Abkommen über die Stationierung US-amerikanischer Abfangraketen auf polnischem Boden.
Sie würden Polen sicherer machen, erklärte Tusk. Das glaubt nicht einmal eine Mehrheit seiner Landsleute, die vor allem schwere Belastungen in den Beziehungen zu Moskau befürchtet. Dieses System ist in mehrfacher Hinsicht ein sicherheitspolitischer Bumerang. Viele Experten bezweifeln, dass eine zuverlässige Abwehr ballistischer Raketen überhaupt möglich sei. Die bisherigen Tests des Pentagon bestärken sie nur. Da trifft es sich gut, dass auch die sogenannten Schurkenstaaten, vor denen man sich doch schützen will, auf absehbare Zeit gar nicht in der Lage scheinen, solche Waffen zu entwickeln. Das lässt natürlich Moskau fragen, ob die USA-Einheiten vor der eigenen Haustür nicht ganz andere Ziele haben. Militärische Antworten auf die Stationierung sind schon angekündigt. Damit gerät auch Polen ins russische Visier und die Welt in eine neue Rüstungsrunde. Mehr Sicherheit sieht anders aus. Zumal die gestrige bilaterale Vereinbarung auch den Riss in der NATO selbst vertiefen wird. Ob sich Tusk wohl bewusst ist, dass die Überquerung des antiken Rubikons zu Cäsars Zeiten eine direkte Kriegserklärung war?
Quelle: Neues Deutschland