WAZ: Tornados dürfen weiterhin fliegen: Das Dilemma der Soldaten
Archivmeldung vom 04.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Verhältnis der Deutschen zu ihrer Bundeswehr war immer etwas kompliziert. Die Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Republik mit Unbehagen beobachtet. Erst allmählich wuchs dem Staatsbürger in Uniform Akzeptanz zu, die auf dem Gedanken beruhte, dass die Existenz der Bundeswehr deren Einsatz verhindern sollte.
Aus dem Abschreckungsprinzip haben viele Menschen die feste
Vorstellung von einer friedfertigen Armee entwickelt. Inzwischen hat
die Bundeswehr zahlreiche Auslandseinsätze absolviert. Soldaten, die
Brücken und Schulen bauen, waren mit der Vorstellung von der
friedfertigen Armee gut vereinbar, weil sie sich deutlich von den
Kampftruppen der Verbündeten unterschieden. Die Frage aber, ob
deutsche Tornados den Amerikanern Bilder von Angriffszielen liefern
dürfen, konfrontierte das Land mit der Grauzone des Krieges. Das
Verfassungsgericht urteilt, dass die Aufklärung dem Frieden diene und
damit verfassungsgemäß sei. Das schafft Rechtssicherheit für die
Piloten, viel mehr nicht.
Heute diskutiert die SPD-Fraktion über die Verlängerung des
Mandats für die US-geführte Operation Enduring Freedom. Für die
Kampftruppen der OEF stellt die Bundeswehr 100 Elitesoldaten bereit,
die seit zwei Jahren nicht mehr angefordert worden sind. Im Falle
eines Ausstiegs aus der OEF werden die Verbündeten voraussichtlich
als Kompensation verlangen, dass Deutsche im umkämpften Süden
Afghanistans stationiert werden. Auch wenn sich in der Nato
herumgesprochen hat, dass die deutschen Soldaten ordentliche Brücken
bauen, wird der Druck immer größer, sich auch an gefährlicheren
Missionen zu beteiligen. Der Preis für den Ausstieg aus der OEF
könnte also sein, dass deutsche Soldaten im Süden häufiger gezwungen
wären zu schießen.
Hier liegt das Dilemma der Soldaten. Über ihren Einsatz in der Grauzone des Krieges entscheiden Politiker, die keine Grauzone im Krieg wahrhaben wollen. Einerseits. Andererseits haben die Politiker es versäumt, einen Auftrag für ihre Soldaten zu formulieren, den man den Nato-Partnern und den Deutschen verständlich vermitteln kann. Die verorten den Auslandeinsatz irgendwo zwischen technischem Hilfsdienst und Kampfeinsatz. In dieser selbst erzeugten Grauzone haben Politiker sich wohnlich eingerichtet. Die Soldaten aber riskieren jeden Tag ihr Leben. Ihnen gegenüber wäre es sehr rücksichtsvoll, wenn die Union ihre unsinnige Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren wenigstens bis zum nächsten Wahlkampf für sich behielte. Dann könnte die Große Koalition vielleicht den Einsatz im Ausland klären.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung