Börsen-Zeitung: Linde ist nicht Porsche
Archivmeldung vom 02.07.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist eine ganze Weile her, dass Wolfgang Reitzle damit liebäugelte, Porsche-Chef zu werden. Stand heute dürfte es ihn kaum schmerzen, nicht am Steuer der Sportwagenschmiede zu sitzen, sondern die "langweilige" Linde zu leiten.
Dort geht es zwar nur um unsichtbare Industriegase, aber in der für Unternehmen aktuell existenziellen Frage hat Linde heute eindeutig bessere Karten als Porsche: Während Wendelin Wiedeking bei der staatlichen KfW mit einem Kreditantrag für 1,75 Mrd. Euro abblitzte, hat sich Reitzle bei 23 Banken eine Linie über 1,6 Mrd. Euro gesichert, von 2011 an auf zwei Jahre. Porsche bot "marktübliche" Konditionen, doch das Familienunternehmen hat sein Limit überreizt.
Linde hatte den 12 Mrd. Euro schweren BOC-Kauf auf direktem Weg und nicht über Cash-gesettelte Optionen realisiert und finanziert, während Porsche mit ihrer Attacke auf VW in die Finanzkrise hineinraste und ein im Vergleich zur eigenen Größe viel höheres Risiko einging. Hinzu kommt, dass Linde keine zerstrittenen Familiengesellschafter hat.
Natürlich haben die Banken für die künftige Linde-Kreditlinie mit geringerem Volumen als die aktuelle die Daumenschrauben angezogen. Doch heute geht es Unternehmen nicht um ein paar Prozentpunkte Marge, sondern um Existenzsicherung. Die Voraussicht Reitzles in Ehren: Die "Forward Start-Kreditfazilität", mit der Linde im Dax Vorreiter ist, beweist, wie schwer die Refinanzierung auf allen Konzernen lastet - auch auf soliden mit Investmentgrade, die sich schon am Anleihemarkt vollgesogen haben.
Einerlei, ob man von Kreditklemme oder zunehmenden Bonitätsproblemen spricht: Die Verwerfungen an den Kapitalmärkten sind längerfristiger Natur und belasten alle - nicht nur offensichtliche Problemfälle wie Porsche, Schaeffler/Continental oder HeidelbergCement. Die Margen bleiben hoch, auch starke Schuldner haben nur begrenzt Zugang zum Kreditmarkt. Banken parken die Milliarden, die die EZB ins System pumpt, zu schlechteren Konditionen wieder bei der Notenbank, statt sie Unternehmen zur Verfügung zu stellen - auch eine Vorratsfinanzierung. Es ist ein Alarmzeichen, wenn ein im Kern gesunder Maschinenbauer wie Koenig&Bauer, der Netto-Gläubiger ist und mit einer überdurchschnittlichen Eigenkapitalquote operiert, nur dann eine Linie verlängert bekommt, wenn der Bund eine Bürgschaft stellt.
Quelle: Börsen-Zeitung