Leipziger Volkszeitung zu Doping
Archivmeldung vom 25.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLug und Trug Es wurde gelogen, dass sich die Balken bogen. Es wurde Verbotenes gespritzt und geschluckt, als sei es das Normalste der Welt. Es herrschte keine Spur von Unrechtsbewusstsein, obwohl zu diesem Zeitpunkt Verantwortliche des Dopings in der DDR vor Gericht standen, die eigentlich für dieses Thema sensibilisieren sollten.
Ein Kartell des
Schweigens hatte sich in den 90er Jahren ausgebreitet, man fühlte
sich sogar zu solchem Handeln legitimiert, weil sich die übermächtig
gewordene Konkurrenz der unrühmlichen Mittel bediente. Also wurde
nachgemacht, wurden Erfolge gefeiert, die nie und nimmer hätten
gefeiert werden dürfen, weil gegen alle Regeln des Fair Play
verstoßen worden war, zu denen in erster Linie auch Wahrheit gehört.
Dazu waren deutsche Radsportler nur in wenigen Fällen bereit. Wer die
schlimmen Dinge beim Namen nannte, die Praktiken kritisierte, der
galt bis zuletzt noch als Lügner und Nestbeschmutzer. Somit ist all
denen gegenüber Abbitte zu leisten, die massiven Widerständen zum
Trotz seit vielen Jahren auf die Machenschaften aufmerksam gemacht
hatten. Kritiker des Systems fanden auch deshalb nur wenig Gehör,
weil mit Jan Ullrich eines der größten deutschen Idole aus dem
Radsport hervorging. Die Öffentlichkeit, Sponsoren und auch
zahlreiche Medien wollten in erster Linie Helden sehen und ihnen auf
die Schulter klopfen. Siege sollten her, egal um welchen Preis.
Mit der Beichte des ehemaligen Profis Bert Dietz fiel das Kartenhaus
endgültig zusammen. Daher hielt sich die Überraschung über die
Geständnisse prominenter Telekom-Fahrer wie Erik Zabel und Rolf Aldag
in Grenzen. Zu viele Indizien hatten bereits erhebliche Zweifel an
der medizinischen Betreuung im deutschen Rennstall Nummer eins
geschürt. Sicher, Athleten, die um Verträge kämpfen, können in
Versuchung geraten und sich falsch entscheiden. Wenn sie allerdings
von Medizinern nicht mit aller Kraft davon abgehalten, sondern sogar
noch unterstützt werden, fehlt jedes Verständnis. Ärzte einer
deutschen Universität verabreichen verbotene Medikamente, nehmen
lebensgefährliche Nebenwirkungen in Kauf und mimen dabei doch viele
Jahre lang den Unschuldigen und zu Unrecht Verdächtigten. Alles Lug
und Trug. Ihr Geständnis ändert daran nichts mehr. Sie hatten, wie
die Radsportler auch, schon lange Gelegenheit, reinen Tisch zu machen
und erst ihr Fehlverhalten eingeräumt, als sie keinen Ausweg mehr
sahen. Zahlreiche Zeugen hatten das Unfassbare bestätigt.
Geständnisse in allen Ehren:Wer dafür den Zeitpunkt verpasst, sollte
nicht mit großer Nachsicht rechnen.
Weitere Beichten stehen bevor. Immer weniger ist damit zu rechnen,
dass lediglich der Radsport betroffen ist. Schließlich arbeitete die
Sportmedizinische Abteilung in Freiburg nicht nur mit Rennfahrern
zusammen. Deutsche Wintersportler hatten zuletzt verdächtig hohe
Hämatokritwerte, ein Indiz für Blutdoping - wie einst bei Aldag & Co.
Niemand wäre überrascht, würden sich demnächst auch Vertreter anderer
Sportarten offenbaren. Das Vertrauen der Fans geht ohnehin gegen
Null. Über fünfte oder zehnte Plätze konnten sie sich allerdings auch
nicht richtig freuen. Umdenken tut Not, weil jede ehrlich erzielte
Leistung mehr wert ist als ein manipulierter Sieg bei der Tour de
France.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung