WAZ: Bergbau - Erster Ernstfall für die Kohlestiftung
Archivmeldung vom 27.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNun hat Wilhelm Bonse-Geuking, Chef der RAG-Stiftung, den Fall des Paragrafen 2 Punkt a. in unerwarteter Dimension am Bein. Laut Satzung muss sich die Stiftung um die Belastungen des Bergbaus für Umwelt und Natur kümmern - das Beben im Saarland war gewiss eine Belastung für Umwelt und Natur.
Für Erdbeben ist nie der richtige Zeitpunkt, dennoch kommt der
Abbaustopp für den Steinkohlebergbau im Saarland für den früheren
BP-Manager zur Unzeit. Ein vorzeitiges Aus der Zeche Ensdorf kostet
viel Geld - Geld, das die Stiftung noch nicht hat. Das Bergwerk
fördert die Steinkohle für deutsche Verhältnisse am kostengünstigsten
zu 130 Euro die Tonne. Das ist halb so viel wie im Bergwerk Ost in
Hamm, was zeigt: Das Ende für Ensdorf wirft die Planung der RAG über
den Haufen, ganz abgesehen von den Abschreibungen, die auf das
Unternehmen zukommen, und den Belastungen zur Absicherung der 3600
Bergleute.
Der Unwägbarkeiten sind noch mehr. Die Finanzmarktkrise samt
Börsen-Tohuwabohu haben das Vorhaben erledigt, die Evonik AG in
diesem Jahr noch an der Börse zu verkaufen. Also muss jetzt ein
Investor her, der willens ist, für ein Viertel am Essener
Mischkonzern einen anständigen Preis zu bezahlen, der dem Unternehmen
einige Jahre treu bleiben will und der versteht, was es heißt, sich
mit der Stiftung und all ihren politischen Vorgaben in ein Boot zu
setzen. Leicht ist das nicht, aber die Zeit drängt. Schließlich hat
sich die Stiftung bereits mit 1,2 Milliarden Euro für die Auslösung
der Alt-Eigentümer der Evonik verschuldet, die Zinszahlungen dafür
laufen.
Der finanzielle Druck und das Beben im Saarland sind ein
Vorgeschmack auf das, was noch so alles kommen kann. Der
Bundesrechnungshof hat mehr als deutlich auf die unkalkulierbaren
Risiken der Bergbau-Altlasten hingewiesen. Bei 2200 Schächten in den
Kohlerevieren steht deren exakte Lage noch gar nicht fest. 400
Millionen Euro jährlich kostet das Abpumpen des Grubenwassers - jedes
Jahr für alle Ewigkeit. Das zeigt noch einmal die Dimensionen von
weit über 100 Jahren Bergbau-Tradition im Revier. Und es zeigt,
welche enormen Kosten damit verbunden sind.
Die Stiftung hat die Aufgabe, das Geld für den Auslaufbergbau
herbeizuschaffen. Der Kompromiss, Evonik als Ganzes in erster Linie
über die Börse zu verkaufen, macht das nicht leicht. Dennoch: Die
Kompromissfindung war mühsam genug. Alle Beteiligten sollten die
Sache pragmatisch angehen. Dazu gehört auch, auf weitere Risiken beim
Bergbau zu verzichten.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Thomas Wels)