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Westdeutsche Zeitung: Pisa-Studie

Archivmeldung vom 19.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie erfreulich: Das deutsche Schulwesen hat endlich zur Aufholjagd angesetzt und ist inzwischen besser als sein Ruf. Die meisten Bundesländer müssen den internationalen Vergleich nicht mehr scheuen.

Wer sieben Jahre nach der ersten niederschmetternden Pisa-Diagnose jedoch einen Sprint an die Weltspitze erwartet hatte, nimmt die Realität nicht wahr. Immerhin war es die Kultusbürokratie jahrzehntelang gewohnt, sich im Schneckentempo vorwärts zu bewegen. Mit den Reformen der vergangenen Jahren hat sie sich einen Kraftakt abverlangt, den ihr noch Ende der 1990er Jahre niemand zugetraut hätte. Auf den zweiten Blick zeigt die Studie aber auch, dass es den Bundesländern trotz dieses Reformeifers bislang nicht gelungen ist, den engen Zusammenhang zwischen Schulerfolg und sozialer Herkunft zu beheben. Arbeiter- und Migrantenkinder sind weiter die Verlierer unseres Bildungssystems. An dieser Tatsache gibt es nichts zu beschönigen, genau das sind die unerledigten Hausaufgaben. Ganz oben auf der Prioritätenliste muss auch das Problem des riesigen Leistungsgefälles zwischen den Pisa-Gewinnern und -Verlierern stehen. Der Bildungsföderalismus taugt nichts, wenn er - etwa in den Naturwissenschaften - Schülern aus Sachsen einen Lernvorsprung von zwei Jahren gegenüber Gleichaltrigen aus Bremen beschert. Anstatt endlich die Hausaufgaben zu machen, streiten Politik, Gewerkschaften und Verbände jedoch in gewohnter Manier um ihre Pfründe. Dabei könnten sie sich ihre Mantras zum ein-, zwei- oder dreigliedrigen Schulsystem sparen: Die unterschiedlichen Systeme des Pisa-Sieger-Quartetts zeigen, dass es keinen Königsweg gibt. Viel entscheidender bei der Frage nach dem Podestplatz sind stattdessen der Migrantenanteil in den Klassen und das Betreuungsverhältnis Lehrer-Schüler. Auf der Suche nach dem besten Bildungssystem sollten die Länder zuerst für mehr Lehrer und eine bessere Ausstattung an den Schulen sorgen - flächendeckend und unabhängig von der Schulform. Und niemand soll sagen, das Geld sei dafür nicht da. Wer über Banken Milliarden-Rettungsschirme spannt, sollte bei der Zukunft unseres Landes nicht knausern.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Anja Clemens-Smicek)

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