WAZ: Streit in der Nato-Allianz: Die Angst der Regierung vor Afghanistan
Archivmeldung vom 11.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittRobert Gates hat der Bundesregierung während der Sicherheitskonferenz die Tarnung entrissen. Zum Vorschein kam Angst. Jahrelang haben verantwortliche Politiker die Öffentlichkeit in den Glauben hineingeredet, die deutschen Soldaten versähen in Afghanistan den Dienst einer Heilsarmee, und alle Verbündeten fänden das gut.
Doch der US-Verteidigungsminister hat die Beschwerden der Länder vorgetragen, die eine Arbeitsteilung der Nato erkennen: Die einen graben Brunnen, die anderen töten und sterben. Gates hat es nicht dabei belassen, sondern zugleich in verdächtigem Überschwang den Einsatz der Deutschen gewürdigt. Und er hat der Regierung "Überempfindlichkeit" attestiert. Übersetzt: ein schlechtes Gewissen.
Zusammengefasst hat Gates die Regierung klar kritisiert und
beruhigt. Also vorgeführt. Denn aus Angst vor den Verbündeten auf der
einen Seite und den Wählern auf der anderen Seite haben die Minister
Franz Josef Jung und Frank-Walter Steinmeier es unterlassen, ihre
Bedenken ehrlich zu formulieren und Vorschläge für ein Gesamtprogramm
vorzutragen, das zivile und militärische Aufgaben eng koordiniert.
Die Koalitionspartner blieben in der Defensive, die sie offenbar
noch schussfester gestalten wollen. Sie überlegen, das Mandat im
Herbst gleich bis 2010 zu verlängern, um Afghanistan (auch mit dem
Blick auf die Linkspartei) aus dem Wahlkampf 2009 herauszuhalten.
Dahinter steht kaum die Absicht, eine offensive Debatte darüber zu
führen, welchen Sinn dieser Einsatz macht, wie lange er dauern wird,
und wie hoch der Preis sein könnte.
Sehr vorsichtig haben einige Politiker zuletzt angedeutet, dass
auch die deutsche Mission ein "Kampfeinsatz" sei. Diese Wahrheit
kommt um Jahre zu spät, denn bestimmte Eindrücke haben sich längst
verfestigt: Viele Bürger glauben, friedliche Kriegsführung sei
möglich. Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben riskieren, müssen
denken, dass sich in der Heimat kaum jemand um sie sorge. Einige
Verbündete fühlen sich inzwischen provoziert, weil die
Bundesregierung indirekt auch eine moralische Differenzierung
vornimmt. Die "guten" Soldaten helfen. Die "schlechten" Soldaten
töten.
Wenn aber künftig unter Militärs der Nato über die "Feigheit" der
Deutschen gesprochen wird, dann ist jedenfalls klar, dass nicht die
Soldaten gemeint sind. Die Große Koalition sollte endlich ihren Mut
zusammennehmen und offen sowie öffentlich über Afghanistan reden.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Angela Gareis)