"Berliner Morgenpost": Scholz spürt die Stimmung doch - Kommentar von Jan Dörner zur Selbstkritik des Kanzlers
Archivmeldung vom 27.01.2024
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Freigeschaltet durch Mary SmithEs ist ein kleines Wort, das aber für den Kanzler einen großen Schritt bedeutet. "Ja", antwortete Olaf Scholz in einem Interview auf die Frage, ob er Selbstkritik übe. Zuvor hatte der SPD-Politiker zum Erscheinungsbild seiner Regierung eingeräumt: "Leider ist es zu selten gelungen, wichtige Beschlüsse ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen zu treffen." Das sind neue Töne.
Lange vermittelte Scholz den Eindruck, als gehe es ihn im Kanzleramt nichts an, wenn sich die Koalition über gerade gefasste Beschlüsse beinahe zerlegte. Oft wirkte der Kanzler, als nehme er die Stimmung im Land nicht wahr. Nachdem ihm die wütenden Bauern auf die Pelle rückten und er beim Besuch eines Handballspiels, eigentlich ein Gute-Laune-Event im Kanzler-Kalender, ausgepfiffen worden ist, scheint bei Scholz angekommen zu sein, dass er kommunikativ einen anderen Gang einlegen muss. Zuletzt machte Scholz den Eindruck, als wolle er seinen Stil im öffentlichen Auftreten ändern. Das erwähnte Interview ist ein Beispiel, seine Auftritte und Videobotschaften anlässlich der bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus ebenso.
Einen "kommunikativ offensiveren" Kanzler erkennt man in der SPD bereits. Zwar nahmen viele Genossen Scholz immer wieder in Schutz: "Dass Olaf vom Temperament her kein Südamerikaner ist, haben wir immer gewusst." Aber auch aus den eigenen Reihen hat er zu hören bekommen, dass er seine Kommunikation ändern müsse, wenn die Legislaturperiode und die nächste Bundestagswahl nicht im Inferno enden sollen. Es muss sich zeigen, ob die Vorsätze des Kanzlers von Dauer sind. Dass er zum Südamerikaner wird, erwartet ja keiner.
Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)