Allg. Zeitung Mainz: Der Fußball zeigt es
Archivmeldung vom 30.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs kann halt nur einer gewinnen. Und gerade Fußball ist oftmals wirklich ungerecht, weil nur so wenige Tore fallen. Am Ende dieser tollen Europameisterschaft in den Nachbarländern Österreich und Schweiz darf aber nicht nur sportlich Bilanz gezogen werden: die Auferstehung des deutschen Teams nach dem Absturz in Klagenfurt, die Wiedergeburt der Spanier, die seit 44 Jahren in internationalen Turnieren nichts gerissen hatten, das herzerfrischende Spiel der Russen und so weiter.
Aber es gab auch andere Lernstücke, die über den Tag hinaus vielleicht noch wichtiger sind als blanke Resultate: Ein Lukas Podolski, der gegen sein erstes Heimatland Polen zwei Tore schießt und sich nicht freuen will. Die Spieler der türkischen Mannschaft, die ihre in letzter Sekunde geschlagenen Gegner aus Kroatien noch auf dem Stadionrasen liebevoll trösten, allen voran Ivan Klasnic, der kürzlich erst als Organ-Empfänger Schlagzeilen gemacht hatte und mit seinem Treffer kurz vor Schluss fast zum spielentscheidenden Mann seines Teams geworden wäre. Fast! Oder der geniale Philipp Lahm: verschuldet den Ausgleich und schießt mit dem Abpfiff das Siegtor. Nie sind Deutsche mit ihren türkischen Mitbürgern erklärtermaßen so freundschaftlich umgegangen wie in diesen Tagen. Man hat sich gegenseitig Anerkennung dargebracht und Respekt gezollt. Warum kann das nicht immer so sein? Hamit Altintop, geborener Gelsenkirchener und Kopf der Mannschaft im Halbmond-Trikot, wirkte wie ein lebendes Symbol dieses selbstbewussten und deshalb kreativen und fruchtbaren Miteinanders beider Nationalitäten. Der Schalker, jetzt in Diensten des FC Bayern, zeigte Flagge, wie hunderttausende Deutsche, aber auch Türken, Italiener, Polen und Portugiesen, die sonst in unserem Land so oft auf Vorbehalte stoßen. Der Fußball zeigt, wie es gehen kann.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz (von Klaus Beck)