Börsen-Zeitung: Im Bann des Handelsstreits
Archivmeldung vom 07.04.2018
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Freigeschaltet durch André OttEine klassische "Börsenweisheit" besagt, dass politische Börsen kurze Beine haben. Sie beschreibt das sehr häufig zu beobachtende Phänomen, dass irritierende politische Ereignisse durchaus heftige Kursreaktionen auslösen können, die aber in der Regel sehr schnell verfliegen, so dass die Marktteilnehmer recht schnell wieder zur Tagesordnung übergehen können. In der abgelaufenen Woche ist jedoch die Hoffnung, dass den vom US-Präsidenten Donald Trump angezettelten Handelskonflikt das gleiche Schicksal ereilen könnte, zunächst enttäuscht worden.
Nachdem versöhnliche Signale im Streit zwischen den Vereinigten Staaten und China am Donnerstag zu einer kräftigen Erholung an den Aktienmärkten geführt hatten, folgte am Freitag die Ernüchterung, nachdem Trump angedroht hatte, das Volumen der Strafzölle auf chinesische Einfuhren von 50 Mrd. auf 150 Mrd. Dollar hochzuschrauben. Seit Wochen befindet sich der Dax in einer Bodenbildungsphase, und sie kann erst dann abgeschlossen werden, wenn absehbar wird, dass es letztlich nicht zu einem für die Weltwirtschaft und insbesondere für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft verheerenden Handelskrieg kommen wird. Werden rein rationale Erwägungen zugrunde gelegt, spricht eigentlich alles dafür, dass es nicht dazu kommen wird, womit auch der Weg für eine positive Entwicklung frei würde.
Die Fakten zeigen eindeutig, dass gerade auch die USA kein Interesse daran haben können, den Streit mit China allzu stark eskalieren zu lassen. Das Bankhaus M.M. Warburg empfiehlt Trump einen volkswirtschaftlichen Nachhilfekurs und verweist auf einige lästige Fakten. Handelsbilanzen seien das Ergebnis vieler Einflussfaktoren. In den USA sei die Sparquote in Relation zu den Investitionen viel zu niedrig. "Wären die USA eine geschlossene Volkswirtschaft, gäbe es hier eine erhebliche Finanzierungslücke." Diese werde seit Jahren durch Kapitalimporte der USA geschlossen, die zu einem nicht unerheblichen Teil von China bereitgestellt würden.
Rein saldenmechanisch gingen mit den Kapitalimporten der USA jedoch immer auch Defizite in der Handelsbilanz einher. Hier liege das Problem: Durch die Verschuldungspolitik der US-Regierung seien die USA in den kommenden Jahren auf weiter steigende Kapitalimporte angewiesen, und diese Kapitalimporte würden mit weiter steigenden Handelsbilanzdefiziten einhergehen, obwohl Trump gerade diese bekämpfen wolle. "Vielleicht sollte sich der US-Präsident diese Zusammenhänge erklären lassen, bevor er den Handelskrieg noch weiter verschärft." China verfügt somit über einen langen Hebel, der sehr leicht einzusetzen wäre. Mit der Fed, die mittlerweile ihre Wertpapierbestände reduziert, ist ein großer Käufer vom Treasury-Markt verschwunden. China braucht sich in US-Staatsanleiheauktionen nur etwas zurückhaltender zu zeigen, um einen empfindlichen Renditeanstieg auszulösen.
Wahrscheinlich wissen das die Berater (die noch im Weißen Haus sind) und hoffentlich auch Trump. Möglicherweise haben daher diejenigen Recht, die Trump eine Art Pokerspiel unterstellen, in dem zunächst sehr ambitionierte Forderungen auf den Tisch geblättert werden, um dann in anschließenden Verhandlungen möglichst viel herauszuholen.
Aus Sicht der Aktienmärkte droht der Konflikt jedoch ein Problem zu werden, das zumindest nicht so schnell verschwinden wird. So tut man Trump wahrscheinlich Unrecht, wenn man ihm ein allzu hohes Maß an Rationalität und Interesse an Fakten unterstellt, von diplomatischer Rücksichtnahme ganz zu schweigen. Der US-Präsident bleibt unberechenbar und könnte in nächster Zeit durchaus noch die eine oder andere Börsenschwäche herbeitwittern.
Nicht zuletzt muss er seinen alles andere als berauschenden Track Record aufpolieren bzw. irgendwelche Erfolge produzieren. Im November finden die Zwischenwahlen statt, und angesichts der tief im Keller verharrenden Popularitätswerte des Präsidenten droht seiner Partei im November der Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus, was Trumps Gestaltungsmöglichkeiten für die Zeit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl arg beschneiden würde. Chinas starker Mann, Präsident Xi Jinping, wiederum wird kaum ein Interesse daran haben, klein beizugeben und dadurch Schwäche zu zeigen. Im besten Fall kann daher auf langwierige und komplizierte Verhandlungen gehofft werden, was nichts anderes bedeutet, als dass das lästige Thema dem Aktienmarkt wohl noch eine Zeit lang erhalten bleiben wird.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Christopher Kalbhenn