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FZ: Hessische Verhältnisse

Archivmeldung vom 11.05.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.05.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wir Hessen sind in mancherlei Hinsicht Menschen, an denen sich die Bürger in anderen Bundesländern ein Beispiel nehmen können. Uns geht es so gut, dass wir pro Kopf mehr Steuern zahlen als alle anderen Deutschen. Als Zahlmeister der Nation pumpen wir jedes Jahr Milliarden in den großen Topf des Länderfinanzausgleichs - und helfen denen, die sonst nicht über die Runden kämen.

Die Wähler in Nordrhein-Westfalen hatten sicherlich nicht diese Leistungen im Sinn, als sie sich am Sonntag für "hessische Verhältnisse" entschieden. Denn die hessischen Verhältnisse, die unsere Nachbarn im Nordwesten herbeiführten, sind längst Synonym für einen Tiefpunkt der politischen Kultur in Deutschland, für ein Jahr Stillstand und Betrug am Wähler - kurzum: Sie sind ein Grund für die zunehmende Politikverdrossenheit. Die Parallelität der Ereignisse ist beängstigend. Wir erinnern uns: 3511 Stimmen betrug bei der Landtagswahl in Hessen am 27. Januar 2008 der Vorsprung der CDU  gegenüber der SPD, in NRW sind es 6200 Stimmen. Im Wiesbadener Landtag kam es zum Patt zwischen CDU und SPD, auch in Düsseldorf sitzen künftig die gleiche Anzahl von SPD- und CDU-Abgeordneten - mit denselben Folgen für die Regierungsbildung wie in Hessen: Theoretisch möglich sind eine große Koalition, ein rot-rot-grüner Pakt, eine Ampelkoalition oder ein Jamaika-Bündnis. Was weiland in Hessen passierte, zählt nun auch zu den durchaus möglichen Optionen in NRW. Da Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft genauso wenig miteinander können wie Roland Koch und Andrea Ypsilanti in Hessen, erscheint eine große Koalition ohne Austausch der führenden Köpfe unwahrscheinlich - zumal die CDU wie in Hessen dank ihres leichten Vorsprungs die Führungsrolle beansprucht. Auch Ampel und Jamaika sind nach den Vorfestlegungen im Wahlkampf keine realistischen Optionen. Bleibt ein rot-rot-grünes Bündnis, das in NRW sogar leichter einzufädeln wäre als in Hessen. Schließlich hat Spitzenkandidatin Hannelore Kraft diese Option nie kategorisch ausgeschlossen, sondern nur für unerwünscht erklärt. Wortbruch vorzuwerfen wäre ihr also nicht. Gleichwohl wäre eine rot-rot-grüne Koalition im größten Bundesland der Republik - hier lebt fast ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands - ein Unglück für das Land. Ein Blick auf das Personal und das Programm der Linken zeigt, warum die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann ist Teil der sozialistischen Strömung, gilt als Linke innerhalb der Linken. Sie kämpft allen Ernstes für die Verstaatlichung der Stromkonzerne und hat Flausen wie die 30-Stunden-Woche im Kopf. Man kann sich ausmalen, wie der politische Betrieb in Düsseldorf unter Ministerin Beuermann laufen würde. Ergo: Wenn sich die demokratischen Parteien nicht zusammenraufen, startet in NRW ein gefährliches Experiment, das Folgen für die gesamte Republik haben wird. Im besten Fall stehen dann - wie in Hessen - schnell Neuwahlen an. So haben die Wähler in NRW nichts zustande gebracht, worauf sie stolz sein könnten. Am Tag nach dem Urnengang bleibt unterm Strich nur ein Erfolg: Die unrealistischen Steuersenkungspläne der Koalition in Berlin sind vom Tisch, und die Merkel-Truppe wird sich künftig hoffentlich besser zusammenreißen. Denn sonst wird sich das Ergebnis von NRW auch bei den nächsten Wahlen wiederholen.

Quelle: Fuldaer Zeitung

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