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Rheinische Post: Auf den Vizekanzler kommt es an

Archivmeldung vom 26.09.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.09.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Als sich vor vier Jahren CDU/CSU und SPD zusammenfanden, dachten viele Wähler, die große Koalition würde große Lösungen produzieren. Heute sind wir schlauer: Diese Koalition versackte im Ungefähren. Das war ihr Geburtsfehler.

Versuchten doch beide Partner, einander widersprechende Entwürfe zu vereinen: den freiheitlich-sozialen der Union und den etatistischen der Sozialdemokraten. Das ärgste Beispiel der Kompromisslerei, die aus diesem Dilemma erwuchs, ist der Gesundheitsfonds. Wer immer noch der modischen These anhängt, die Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD seien marginal, den belehrt ein Blick in das Kleingedruckte dieses Konstrukts eines Besseren. Beide Seiten haben in der großen Koalition derart gelitten, dass die Stabilität des Parteiensystems schaden nehmen könnte: Die SPD dürfte am Sonntag ihren Status als Volkspartei verlieren, bedroht durch gleich zwei Ausgründungen am linken Rand und den Verlust jener Helmut-Schmidt-Wähler, die spätestens seit Ypsilanti nicht mehr an Schwüre glauben, die Linkspartei sei kein Partner für die SPD. Die Union büßte im schwarz-roten Bündnis Profil und Gestaltungskraft ein und damit an Faszinination gerade für die Leistungseliten. Ihre weitere Sozialdemokratisierung würde auch CDU und CSU in nicht gekannte Abgründe schauen lassen. Deutschland aber steht vor gewaltigen Aufgaben. Mögen die unmittelbaren Folgen der Krise auch nicht durchschlagen wie befürchtet, so bleiben doch wahre Problemberge: die exorbitante Staatsverschuldung. die überfällige Modernisierung der Sozialsysteme, die Begründung einer intelligenteren und effizienteren Energiepolitik, die Kernkraft und andere wichtige Felder der Forschung nicht vernachlässigt, die Entwicklung einer international verantwortbaren Exit-Strategie für Afghanistan. Eine Bundesregierung, die diese Aufgaben nicht wieder vertagen will, braucht größtmögliche politische Schnittmengen, zumal sich die Fliehkräfte einer großen Koalition im Falle einer Neuauflage verstärken würden. Schon nach ein, zwei Jahren stünde dieses Bündnis auf der Kippe. Zu verlockend wäre es für den linken SPD-Flügel, gäbe es mit Grünen und Linkspartei eine Koalitionsoption. Frank-Walter Steinmeier ist den Beweis schuldig geblieben, dass er diese Entwicklung aufhalten könnte. Er hat stattdessen auf einen Verhinderungswahlkampf gegen eine schwarz-gelbe Koalition gesetzt. Dies war als Strategie defensiv und dürftig, sind doch die schwarz-gelben Koalitionen in NRW, Niedersachsen oder Bayern bislang nicht gerade als neoliberale Kampfformationen aufgefallen, sondern als eher behutsame Erneuerer. Behalten die Meinungsforscher recht, kann Angela Merkel nach dieser Wahl Regierungschefin bleiben. In Anlehnung an einen alten Wahlkampfslogan gilt deshalb diesmal: Auf den Vizekanzler kommt es an.

Quelle: Rheinische Post

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