WAZ: Koalitionsfrage offen: Bremer Signale
Archivmeldung vom 14.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSteht Bremen vor dem politischen Wechsel? Es wäre für den Stadtstaat ein Clou: Seit zwölf Jahren hatten sich SPD und CDU dort kommod eingerichtet. Dass Große Koalitionen Übergangslösungen sind, schienen SPD und Union beharrlich widerlegen zu wollen. Der Sonntag hat sie ernüchtert: Sozial- und Christdemokraten haben schmerzhafte Blessuren erlitten. Die Sieger heißen Grüne und Linkspartei.
Diese Wahl, deren Themen ebenso wenig prickelnd waren wie die
Spitzenkandidaten, sendet Signale bis nach Berlin. Denn ungeachtet
der eigennützigen Nibelungentreue der CDU gegenüber der SPD (ihre
einzige Chance der Machtteilhabe an der Weser) behält sich die SPD
auffällig deutlich die Möglichkeit des Koalitionswechsels vor.
Sie hat es in der Hand, die seit 2005 bundesweit verschwundenen
rot-grünen Bündnisse zu reaktivieren. Ob das Bremen hilft, ist nicht
gewiss. Bremen steckt in einer fatalen Finanzkrise, die zu beheben
eher die gebündelte Kraft großer Parteien benötigt. Doch ein
rot-grünes Bündnis entspräche nicht nur einem wachsenden
Wählerbedürfnis in Bremen. Ein - oft totgesagtes - Rot-Grün wäre ein
Zeichen für die Wahlen in 2008 und gäbe den verunsicherten
Sozialdemokraten in Bund und Ländern perspektivisch Spielraum zurück.
Auch in Merkels Koalition, die klar Verschleißstellen zeigt. Und - es
ist in Bremen wie im Bund der kleinere Partner, der sich schlechter
profiliert und an Wähler-Wahrnehmung einbüßt.
Eine noch weitreichendere Bedeutung aber kommt dem erstmaligen
Einzug der Linkspartei in ein West-Parlament zu. Liberale,
Bürgerliche, Konservative mögen erschrocken zur Kenntnis genommen
haben: Da deutet sich - bei aller Vorsicht gegenüber solchen
Prognosen - der Anfang an für eine dereinst mögliche Mehrheit links
der Mitte in den Parlamenten. Dass die Linke sagt, sie wolle
Opposition sein, wolle die etablierten Parteien treiben, hat nicht
viel zu bedeuten: Im Berliner Senat hat die Linkspartei trotz all
ihrer radikal-sozialer Lippenbekenntnisse knallharte Sparpolitik
mitgemacht. Und dass es in West-Ländern (womöglich in Zukunft trotz
bisher kategorischer Ablehnung durch die SPD auch im Bund) keine
rot-rot-grünen Bündnisse geben wird - wer will darauf schwören?
Auf ganz kurze Sicht aber profitiert nicht zuletzt jemand von
Bremen, der derzeit Erfolge braucht: Parteichef Beck wird sich das
Abschneiden der SPD, die ja stärkste Kraft bleibt, auch an die eigene
Brust heften. Hoffend, dass die Zweifel in eigenen Reihen an ihm
wenigstens vorerst verebben.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung