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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Familienpolitik

Archivmeldung vom 21.07.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Gezetere um die Verfassung steht im Gegensatz zu permanenten Verfassungsbrüchen, die gerade auch in der Familienpolitik verübt werden. Dazu einmal ein deutliches Wort. Einen Vorschlag hat Innenminister Wolfgang Schäuble noch nicht unterbreitet, obwohl er schon gängige Praxis ist: Wie wär's, wenn man Vorbeugungsmaßnahmen gegen den Terror, selbst wenn sie der Verfassung widersprechen sollten, einfach als »rechtswidrig, aber straffrei« präsentieren würde?

Das funktioniert doch, wie man im Falle der Abtreibung sieht. Da werden letztlich Menschen getötet, weil man sie verdächtigt, das Leben der Mutter zu beeinträchtigen. Das ist zwar rechtswidrig und verstößt gegen Grundgesetz-Artikel 2, Absatz 2 (Recht auf Leben), ist aber straffrei ...
So könnte man es also auch mit verdächtigen Personen machen, die terroristische Aktivitäten entfalten könnten. Aber kein führender Politiker in Berlin würde je eine solche Parallele ziehen. Denn Abtreibung gilt als Errungenschaft. Ob Kinder fehlen oder nicht, es ist eine Art heilige Kuh des Berliner Establishments. Verfassungstreue ist offenbar relativ in Deutschland. Sie gilt, wenn sie passt. All jene, die we- gen Schäuble aufheulen, schweigen, wenn es um Verfassungsbrüche geht, die seit langem wie selbstverständlich auf Kosten der Familien begangen werden.
Ein neuer Bruch steht bevor. Ministerin Ursula von der Leyen macht sich für höheres Kindergeld stark - aber nur für kinderreiche Familien. Ein-Kind-Familien sollen leer ausgehen, obwohl das der Verfassung widerspricht.
Der Bruch geht noch tiefer: Das Kindergeld ist mittlerweile nur noch Teil des Existenzminimums. Wie bei anderen staatlichen Verpflichtungen sollte jedoch wenigstens der Inflationsschub aufgefangen werden. Seit 2002 wurde das Kindergeld nicht mehr erhöht. Es wäre mithin längst überfällig. Urteile des Bundesverfassungsgerichts untermauern dies.
Die schäbige Behandlung gerade der Familien mit mehreren Kindern hat traurige Tradition. Sie fing bei Helmut Kohl an, dessen Regierung die Steuerfreibeträge senkte und das Kindergeld selbst vom dritten Kind an nivellierte, und setzte sich bei Rot-Grün fort. Die jetzige große Koalition benachteiligt diese Familien rigoros und konzentriert sich offenbar fast ganz auf ihre Idealfamilie, also auf die Doppelverdiener, so dass die beim Verfassungsgericht anhängigen Klagen gegen Öko- und Mehrwertsteuer durchweg von kinderreichen Familien stammen. Eine Erhöhung des Kindergeldes wäre zwingende Pflicht dieser Regierung, um aus dem »permanenten Verfassungsbruch« (Paul Kirchhof) gegenüber den Familien zumindest ein Schrittchen herauszukommen.
Der Vorstoß der Familienministerin ist, mit Verlaub, vorbeugende Heuchelei, weil ebenso verfassungswidrig wie die vorbeugende Abtreibung und Schäubles Überlegung, Terrorverdächtige notfalls vorbeugend töten zu können.
Niveau oder gar Stil hat der würdelose Widerstreit nicht.

Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt

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