Westdeutsche Zeitung: Airbus
Archivmeldung vom 21.02.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.02.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer noch Zweifel darüber hatte, ob es sich bei Airbus und Mutter EADS um ein privates oder staatliches Unternehmen handelt, sieht seit gestern klarer: Die alten Verteilungskämpfe zwischen Franzosen und Deutschen über Werke, Beschäftigte und Ruhm sind wieder mit aller Kraft entbrannt - und zwar unter den Politikern.
Rationalisierungsmaßnahmen werden bereits im Ansatz
verboten. Jeder "Landesfürst" pocht auf sein Werk und dessen
Auslastung. Das ist nicht gut. Politiker sind meistens weder
pragmatisch, noch können sie schon von ihrer Ausbildung her
Produktionen nach ökonomischen Kriterien organisieren. Was raus kommt
ist Murks.
Bei den beiden wichtigsten Zukunfsmodellen von Europas Flugzeugbauer,
dem Ax0f350 und dem Großraumflugzeug A 380, könnte das überspitzt
heißen: Lässt Du mich das Fahrwerk herstellen, bekommst Du das
Höhenruder. Oder: Wenn Du Werk A schließt, schließe ich Werk B. Das
ist Unfug. So lassen sich keine Schlüsselindustrien betreiben.
Schlimmer noch: Airbus, trotz hoher Auftragspolster bereits ein
Sanierungsfall, könnte darüber in die Pleite fliegen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheint das offenbar erkannt zu
haben und will sich heraushalten. Das wird sie aber kaum können, denn
ihre Parteifreunde werden sie zum Jagen tragen. Und die Franzosen
werden ohnehin knallhart agieren. Schließlich ist in unserem
Nachbarland bereits Wahlkampf und Industriepolitik betreibt die
Grande Nation schon immer mit Bravour - auf Kosten anderer.
Eine Lösung des Konflikts, der praktisch seit Gründung von Airbus
unterschwellig existiert, ist schwierig. Weil die gemeinsame
europäische Arbeitsgruppe, zu der noch Spanien und Großbritannien
gehören, in der Vergangenheit aber etliche vernünftige und
erfolgreiche Flugzeuge auf den Markt gebracht und zeitweilig sogar
Erzkonkurrenten Boeing überrundet hat, bleibt Hoffnung.
Eventuell liegt die Lösung ja - wie von den Amerikaner vorpraktiziert
- in der Abgabe von Werken, Entwicklungsaufträgen und Zulieferungen
an Fremdfirmen. Die können das, wie die Automobilindustrie zeigt, oft
schneller und besser. Zuvor muss sich aber EADS von der Politik
abnabeln. Russen und Ölscheichs stehen bereits Schlange, um Anteile
zu übernehmen. Vielleicht sollte man sie hereinlassen.
Quelle: Pressemitteilung WESTDEUTSCHE ZEITUNG