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Börsen-Zeitung: Auf Entzug

Archivmeldung vom 04.12.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.12.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Herz-Lungen-Maschine wird abgestellt, aber der Patient bleibt auf der Intensivstation. Das ist im Wesentlichen die Botschaft, die der geldpolitische "Chefarzt" der Eurozone, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, am gestrigen Donnerstag in sein ökonomisches Bulletin gepackt hat.

Zwar macht die Europäische Zentralbank jetzt Ernst mit dem Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik. Sukzessive werden die mehrmonatigen Refinanzierungskredite mit den Banken der Eurozone eingestellt. Mitte Dezember wird der dritte sogenannte Zwölfmonatstender der letzte sein, nach dem 31. März 2010 soll es keine Sechsmonatstender mehr geben.

Die extrem expansive Ausrichtung der Geldpolitik - daran wollte Trichet keinen Zweifel aufkommen lassen - soll aber weit bis in das kommende Jahr hinein beibehalten werden. Das heißt, der Leitzins wird in den nächsten Monaten unverändert auf dem historisch niedrigen Niveau von 1% bleiben, auch der noch deutlich darunterliegende Marktzins Eonia soll nicht nach oben treiben, sodass es auch nicht zu einer verdeckten Straffung des geldpolitischen Umfeldes kommt. Denn vorerst werden die Banken weiterhin in den von nun an kurzfristigeren Refinanzierungsgeschäften mit der Zentralbank so viel Liquidität erhalten, wie sie brauchen.

Die EZB stellt dem Patienten Euroraum damit eine geteilte Diagnose. Der Bankensektor zeigt sich derart erholt, dass er nicht mehr bis zum Sanktnimmerleinstag mit Liquidität zum Nulltarif versorgt werden muss. Die Gewinne vieler Banken sprudeln wieder, und in einigen Marktsegmenten blubbert es schon wieder spekulativ. Die allmähliche Entwöhnung des Finanzsektors von der Droge "unkonventionelle Geldpolitik" ist geboten.

Zugleich berappelt sich die Realwirtschaft der Eurozone nur sehr zögerlich, und es sind weit und breit keine Inflationsrisiken in Sicht. Legt man den Inflationsausblick der europäischen Notenbankvolkswirte zugrunde, müssten die Währungshüter die Geldpolitik sogar noch expansiver ausrichten, denn in den kommenden zwei Jahren wird die Teuerung den Wunschbereich von knapp unter 2% deutlich unterschreiten.

Das heißt: Auch wenn nun die Entziehungskur für den Finanzsektor beginnt, die Abkehr von dem niedrigen Zinsniveau steht noch nicht an. Und das ist auch gut so.

Quelle: Börsen-Zeitung

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