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Börsen-Zeitung: Purer Aktionismus

Archivmeldung vom 02.10.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Frankreich sucht den Blankoscheck. 300 Mrd. Euro, so wird kolportiert, will der französische EU-Vorsitz in einen Feuerwehrfonds stecken, um mit diesem wankenden Kreditinstitut aufzufangen. An dem Notfonds sollen sich alle 27 EU-Staaten gemäß ihrer Wirtschaftskraft beteiligen. Präsident Nicolas Sarkozy will das Signal aus Europa, damit auch die USA ihr Rettungspaket fortsetzen.

Aber was heißt die Pariser Auffanglösung für ein Europa, in dem die Bankenaufsicht nach wie vor national zersplittert ist? Der Fonds, den vor allem Deutschland als größte Wirtschaftsmacht und größter Nettozahler in der EU speisen müsste, gäbe den Freibrief für alle anderen, mit fremdem Geld in die Bresche zu springen. Im Klartext: Eine Aufsicht in einem EU-Staat muss sich nicht mehr sorgen, wenn eine heimische Bank, um sich im internationalen Wettbewerb Vorteile zu verschaffen, Risiken eingeht, die ansonsten strikt untersagt wären. Warum auch, wenn im Pleitefall nicht der nationale Steuerzahler, sondern der Notfonds einspringt?

Das wäre "Moral Hazard" vom schlimmsten - und zeigt genau die Krux in Europa auf. Falls Europa überhaupt über einen Sicherungsfonds nachdenken will - auch generell sind hier Zweifel angebracht -, muss es zumindest seine Hausaufgaben woanders machen. Voraussetzung wären eine europäische Finanzaufsicht, eine europäische Einlagensicherung und die Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Vorschriften für Insolvenz und Abwicklung der Kreditinstitute. Bis dahin hat die EU aber noch eine weite Strecke vor sich - und sollte sich auf die bewährten nationalen Sicherungssysteme verlassen.

Was Sarkozy mit Fonds-Planspiel und Krisentreffen nicht mal einer Handvoll Regierungschefs in Paris veranstaltet, ist daher Augenwischerei und purer Aktionismus, der niemandem dient. Schlimmer noch: Mit der Vorabsprache der G7-Staaten Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien läuft der hyperaktive Präsident Gefahr, die EU zusätzlich zu belasten. Glaubt Sarkozy wirklich, die restlichen 23 EU-Länder beugen sich einem Diktat der Großen? Das hat in Europa nie funktioniert. Will Sarko tatsächlich etwas bewegen, muss er für europäische Geschlossenheit alle Staaten an Bord holen - und sich auf die echten Systemmängel in Aufsicht, Einlagensicherung und Insolvenzrecht konzentrieren. Das wäre für Europa schon ein Riesenfortschritt.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Christof Roche)

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