LVZ: zur Finanzkrise
Archivmeldung vom 28.10.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Trendwende auf dem Beschäftigungsmarkt nachhaltig abzusichern ist das große Ziel der großen Koalition. Lange schien es so, als genüge es dem Glückskind Merkel, die Umstrukturierungen aus der Vorgabe der rot-grünen Agenda-Politik am Wahltag 2009 auf ihrer Haben-Seite abzubuchen.
Jetzt haben ihr einige verantwortungslose Manager, die Weltfinanzmarktkrise und der Zusammenbruch früherer ordnungspolitischer Leitvorstellungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach dem Milliardenpaket für die Banken muss die Politik mit den ihr noch verbliebenen Möglichkeiten Krisenvorsorge für den Arbeitsmarkt treffen. Misslingt das, braucht man sich bei den Wählern 2009 gar nicht erst sehen zu lassen. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit und der sozialen Verantwortung. Noch sprudeln die Steuern. Das wird 2009, mit der zu befürchtenden Rezessionswucht, anders sein. Weil der öffentliche Haushalt noch lange nicht gesund strukturiert ist, verbieten sich also teure, aber meist sinnlose Ausgabenorgien. Arbeitnehmer haben in erstaunlichem Maß Flexibilität, Bereitschaft zu Lohnverzicht und Mut zu immer weniger geschützten Beschäftigungsverhältnissen gezeigt. Sie da, wo es möglich ist, mit staatlichen Anreizen vor dem Verlust der Arbeit als Teil der Selbstverwirklichung zu bewahren, ist die Kernaufgabe von Politik. Die Phase der ungezügelten Marktradikalität ist vorbei. An deren Stelle darf aber nicht die politische Dummheit zum neuen Leitmotiv staatlichen Handelns werden. Wer munter Steuersenkungen verspricht, ohne dafür finanziellen Spielraum zu schaffen, der verfällt entweder in die alte fatale Politik der Geschenke auf Pump oder er frönt einer bereits mehrfach gescheiterten Idee von staatlicher Allmacht. Schnell und gezielt müssen Anstöße wirken. Richtig ist deshalb alles, was den Verbrauch und die Binnenkonjunktur ankurbelt und zugleich in einen vernünftigen ordnungspolitischen Rahmen passt. Entlastungen, die ziemlich sicher im Sparstrumpf landen würden, wären kontraproduktiv. Das spricht beispielsweise dafür, umweltpolitische Überlegungen mit Anreizen für die Ankurbelung des Autoabsatzes zu kombinieren. Das kann über die Aussetzung der Kfz-Steuer funktionieren. Eine Ausweitung der Anreize zur energetischen Gebäudesanierung macht Sinn, vorausgesetzt, auch die Gemeinden könnten dabei zugreifen, die wegen Haushaltsnotstand ansonsten der Staatskontrolle unterliegen. Es ist Zeit für zielgerechte Fantasie. Es schadet nicht, wenn sich die Politik dafür etwas mehr Zeit zum ruhigen Nachdenken verordnet, als dass immer nur in die gleichen alten Schubladen gegriffen wird.
Quelle: Leipziger Volkszeitung