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Börsen-Zeitung: Die Politik muss liefern

Archivmeldung vom 24.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Erinnern Sie sich? Es ist gerade einmal zwölf Monate her, da machte in Deutschland noch das Schlagwort einer "Goldenen Dekade" die Runde. Die damit verbundene Perspektive stetig steigender Aktienkurse und einem Dax auf Rekordniveau ist allerdings seit dem Sommer Geschichte. Stattdessen fürchten Investoren nun Schuldenkrise und Rezession und setzen vorrangig auf Kapitalerhalt. Wie doch die Zeit vergeht.

Schaut man sich das Chartbild des deutschen Aktienmarktes an, waren es letztlich zwei Wochen im Juli und August, in denen sich an den Aktienmärkten das Weltbild komplett drehte. Seitdem ist die Angst vor dem Absturz ein steter Begleiter. Entsprechend pessimistisch formulieren dieser Tage die meisten Anlagestrategen ihre Prognosen für das neue Jahr, in dem die Schuldenkrise die Märkte weiterhin stark beschäftigen wird - eine Rezession in der gesamten Eurozone nicht ausgeschlossen.

Allein der immense Refinanzierungsbedarf von Italien und Spanien, den beiden Wackelkandidaten, verheißt für das neue Jahr nichts Gutes. Hoffnung macht es aber doch, dass beide Länder bei den jüngsten Auktionen am Anleihemarkt überraschend erfolgreich gewesen sind. Darin spiegelt sich, dass Madrid und Rom dabei Fortschritte machen, durch eine notwendige Reformpolitik das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Und es wirkt positiv, dass Europas Regierungschefs auf dem jüngsten Brüsseler Gipfel einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan haben - auch ohne die Briten. Ob das Aktienjahr 2012 ein gutes oder ein weiteres schlechtes wird, dürfte also sehr stark davon abhängen, ob es Europa gelingt, durch eine glaubhafte Politik die langfristige Perspektive aufzuzeigen, dass die Angst vor dem Bruch der Währungsunion doch nur etwas für Apokalyptiker ist.

Wichtiges Auftaktquartal

Große Bedeutung kommt dabei dem ersten Quartal des neuen Jahres zu, wenn es darum geht, in den einzelnen Staaten im Nachklapp an den Brüsseler Gipfel die politischen Weichen zu stellen. Gelingt dies ohne größere Probleme, dürfte dies dazu beitragen, dass Länder wie Spanien und Italien von den Investoren weiterhin Kredit bekommen. Die Märkte würden dann einen gewichtigen Belastungsfaktor verlieren. Dies wiederum könnte der Moment sein, an dem sich die Perspektive an den Aktienmärkten ein weiteres Mal dreht - aber diesmal in die andere Richtung.

Vorausgesetzt, es bleibt eine zusätzliche Verschärfung der Schuldenkrise aus, deutet der ausgeprägte Pessimismus der Investoren sowie ihre defensive Positionierung jedenfalls darauf hin, dass die Aktienindizes spätestens auf dem Niveau des Buchwertes Unterstützung finden. Dieses Niveau findet sich im Dax bei etwa 5200 Zählern. Hinzu kommt, dass die Konjunkturdaten in den USA bereits seit Längerem positiv überraschen, wie der von der Citigroup erstellte Economic Surprise Index zeigt. In Europa gilt dies inzwischen auch. Dies stützt die These der Optimisten, dass auch Europas Wirtschaft im Laufe des neuen Jahres Fuß fassen wird.

Die Aussicht auf große Sprünge ist damit freilich nicht verbunden, es deutet sich vielmehr eine lange Phase mit einem eher unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum an, zumal gewohnte Impulse von staatlicher Seite nachlassen, Banken restriktiver bei der Vergabe von Krediten agieren und zunehmende Regulierung oder steigende Steuern die Möglichkeiten der Firmen zusätzlich einschränken werden. Und dennoch eröffnet sich in diesem Fall die Chance auf eine überraschend gute Aktienmarktperformance. Aus dem Unternehmenssektor sind für den Gesamtmarkt trotz überwiegend solider Bilanzen zwar keine Impulse zu erwarten - die Phase rückläufiger Gewinnschätzungen dürfte anhalten. Die Hoffnung liegt aber darin, dass die Risikoprämien sinken, sprich die Risikobereitschaft der Investoren zunimmt. In diesem Fall dürfte auch die im zweiten Halbjahr stark gestiegene Schwankungsbreite der Aktienmärkte tendenziell etwas abnehmen - ein Szenario, welches langfristig orientierten Investoren zusätzlich Sicherheit gibt. Die Gewinner dürften dann die Verlierer des Jahres 2011 sein - also etwa zyklische Titel. Bis es dazu kommt, ist es allerdings ratsam, sich weiterhin sehr zurückhaltend an den Börsen zu engagieren. Unternehmen mit geringer Verschuldung, nachgewiesener Wachstumsstärke auch in Krisen und attraktiver Dividendenrendite scheinen vielen empfehlenswert - wenn sie sich dieser Tage überhaupt an die Börsen wagen. Ratsam ist zudem eine sehr breite Streuung der Investments, die einem Portfolio mehr Stabilität verleiht.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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